Die nach wie vor große Zahl von Entscheidungen zur Angemessenheit von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall, die veröffentlicht werden (vgl. beispielhaft das Mitteilungsblatt der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins "Der Verkehrsanwalt" und die Zusendungen an die Redaktion der zfs), zeigen die unveränderte Bedeutung der Problematik.

1. Die Entscheidung des BGH zur Gleichwertigkeit der Schwacke-Liste und des Fraunhofer-Mietpreisspiegels bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten v. 12.4.2011 – zfs 2011, 441 – hat nicht die – vielleicht erhoffte – Wirkung gehabt, die Auseinandersetzung über die zutreffende Methode der Schätzung der Mietwagenkosten wenigstens teilweise beizulegen. In der folgenden Entscheidung v. 27.3.2012 (zfs 2012, 378) sah der BGH keine Veranlassung, zur Frage der Vorzugswürdigkeit einer der beiden Tabellenwerke Stellung zu nehmen. Vielmehr hat er einen weiteren Weg aufgezeigt, wie der Streit zwischen der "Schwacke-Schule" und der "Fraunhofer-Schule" beigelegt werden kann. Es sei sachgerecht, die nach einem Verkehrsunfall zum Normaltarif zu erstattenden Mietwagenkosten nach dem arithmetischen Mittelwert beider Tabellenwerke zu berechnen (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1054; BGH NJW 2011, 823). Keine der beiden hauptsächlich verwandten Methoden zur Bestimmung des Normaltarifs hat vollständig überzeugt. Die Art der Datengewinnung bei der Schwacke-Methode stieß auf das Bedenken, dass das offensichtliche Interesse der Vermieter, überhöhte Tarife anzugeben, allzu leicht erreicht werden konnte. Da die Einzeldaten durch Abfrage bei dem Bundesverband der Autovermieter sowohl unter Offenlegung des Verwendungszwecks wie unter der Mitteilung fehlender Abschlussbereitschaft erhoben werden, bestand die naheliegende Gefahr, dass eine Ergebnismanipulation seitens der Befragten, die an hohen Einzelpreisen interessiert seien, die Folge sein werde. Als Beleg hierfür werden vor allem die deutlichen, dem Marktgeschehen nicht entsprechenden Preissteigerungen zwischen den Schwacke-Tabellen 2003 und 2008 angeführt (vgl. LG Fulda NZV 2010, 91, 92; OLG München r+s 2003, 439), die einen erheblichen Manipulationsverdacht bei der Sammlung der Daten für das Jahr 2006 nahe legten.

Bei der Erstellung der Fraunhofer-Liste findet eine verdeckte Datenerhebung statt. Schönheitsfehler dieser Methode ist es, dass die Preise für Mietwagen mit einer Vorlauffrist von einer Woche erhoben werden, was den Bedarf des geschädigten Mieters nach einem Verkehrsunfall nicht deckt (OLG Köln NZV 2010, 144; LG Siegen NZV 2010, 146; Wenning, NZV 2009, 478). Hinzu kommt, dass die Fraunhofer-Liste durch die Ausweisung nur zweistelliger Postleitzahlgebiete ein allzu grobes Raster darstellt, so dass je nach der Größe des Einzugsgebiets Unrichtigkeiten auftreten. Fehlt es an der Homogenität des Gebiets, werden also städtische und ländliche Gebiete mit unterschiedlichen Preisniveaus für Mietwagen zusammengefasst, führt dies zu einer "Preisverzerrung nach unten". Diese Fehlermöglichkeit vermeidet die Schwacke-Liste, die eine Aufgliederung in dreistellige Postleitzahlen vornimmt. Eine weitere mögliche Fehlerquelle der Fraunhofer-Liste ist die Gewinnung der Daten durch Internet-Abfragen bei sechs bundesweit agierenden Mietwagenunternehmen. Das entspricht nicht der Nachfragetätigkeit des durchschnittlichen Kunden bei der Miete eines Ersatzfahrzeugs. Ein Kritiker hat auf die Schwächen der Werke hingewiesen und erfolglos Mängelbeseitigung erbeten (Riedmeyer, zfs 2010, 70). Der BGH hat die Tür für weitere Auseinandersetzung über die gerechte Methode dadurch aufgestoßen, dass er Korrekturmöglichkeiten des Tatrichters durch Zu- und Abschläge zu den gewonnenen Werten beider Tabellenwerke für denkbar hält (zfs 2011, 441).

2. Da verkürzt zusammen gefasst die Schwacke-Liste zu "überhöhten" Werten, die Fraunhofer-Liste zu "zu niedrigen" Werten für den Normaltarif von Mietwagen führt, liegt es nahe, das arithmetische Mittel beider Werte zu bilden und damit einen realistischen Wert zu gewinnen. Der plakative Einwand des LG Zweibrücken, dass die Bildung des arithmetischen Mittels nach der Auffassung der "Vereinigungstheorie" der beiden Methoden nicht den zutreffenden Wert ergeben könne, verkennt, dass die Bildung des arithmetischen Mittels zu einer Korrektur der zu hohen und zu niedrigen Werte beider Tabellenwerke und zur Rückführung auf einen dem "vertretbaren" Wert am nächsten liegenden Tarifwert führen kann. Ohnehin kann mit einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO allenfalls eine Annäherung an den nicht mehr punktgenau bestimmbaren Wert erreicht werden.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 11/2014, S. 619 - 622

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