StVG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 4, Abs. 8; FeV § 20 § 11 Abs. 1 bis 4, Abs. 8; Anlage 4 zur FeV Vorbemerkung, Nr. 7.2
Leitsatz
Bestehen Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung eines Fahrerlaubnisbewerbers, so sind diese durch die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens abzuklären. Es steht im Regelfall nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde, stattdessen eine Fahrprobe als ausreichend zu erachten. Dies ergibt sich aus der amtlichen Begründung zu § 11 FeV und dem Zusammenspiel der unter § 11 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1 FeV getroffenen Regelungen sowie den Vorbemerkungen zur Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung.
OVG des Saarlandes, Urt. v. 1.10.2014 – 1 A 289/14
Sachverhalt
Der 1947 geborene Kl. begehrt die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse B, wobei diese im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer räumlichen und zeitlichen Beschränkung unterliegen soll.
Seine 1965 erworbene Fahrerlaubnis war ihm durch Verfügung der Kreisverwaltung P. v. 8.1.1987 entzogen worden, weil er infolge eines Unfallgeschehens v. 20.6.1984 ausweislich des Krankheitsberichts des erstbehandelnden Klinikums der Universität M. v. 30.8.1984 schwere Hirnverletzungen erlitten hatte und eine fachärztliche Untersuchung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C ausweislich des Attestes v. 18.12.1986 zu dem Ergebnis führte, dass eine Fahrtauglichkeit nicht gegeben war.
In den Folgejahren beantragte der Kl. mehrfach die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Die Verfahren, in deren Verlauf zur Frage der Fahreignung des Kl. diverse ärztliche Atteste und Gutachten von Fachärzten bzw. von Begutachtungsstellen vorgelegt bzw. eingeholt wurden, die in psychischer Hinsicht als Unfallfolge ein hirnorganisches Psychosyndrom, das verschiedentlich als "ausgeprägt" bzw. "schwer" bezeichnet wurde, feststellten, endeten teils durch Rücknahme bzw. mit Nichtweiterverfolgung des Antrags, teils durch ablehnende Bescheide, teils durch gerichtlichen Verfahrensabschluss.
Auch die nach Wechsel seines Wohnsitzes in den Zuständigkeitsbereich des Bekl. erfolgte Antragstellung blieb letztlich erfolglos.
Zuletzt erging der verfahrensgegenständliche Bescheid v. 13.8.2010, durch den der Bekl. die Neuerteilung der beantragten Fahrerlaubnis unter Hinweis auf die Nichtbeibringung des durch Anordnung v. 18.11.2003 geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens in Anwendung des § 11 Abs. 8 FeV ablehnte.
Der fristgerecht eingelegte Widerspruch des Kl. wurde durch aufgrund mündlicher Verhandlung v. 26.6.2012 ergangenen Widerspruchsbescheid zurückgewiesen. Der Bekl. habe angesichts der medizinischen Vorgeschichte des Kl. zur Abklärung der hieraus resultierenden Zweifel an seiner Kraftfahreignung zu Recht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert. Insb. sei die klägerseits angebotene Fahrprobe kein geeignetes Mittel. Bei Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms müsse die Schwere der durch dieses bedingten Leistungsmängel festgestellt werden und dies sei nur mit Hilfe eines medizinischen/psychologischen Sachverständigen möglich. Da das geforderte Gutachten nicht beigebracht worden sei, rechtfertige § 11 Abs. 8 FeV die Ablehnung des Neuerteilungsantrags.
Das VG des Saarlandes hat die unter Wiederholung der Einwände aus dem Verwaltungs- und dem Widerspruchsverfahren erhobene Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung v. 30.10.2013 ergangenes Urt. v. 30.10.2013 – 10 K 739/12 – zurückgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei die Ablehnung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Ergebnis rechtmäßig und verletze den Kl. nicht in seinen Rechten.
2 Aus den Gründen:
"Die zulässige Berufung des Kl. ist hinsichtlich Haupt- und Hilfsantrag unbegründet."
Zu Recht hat das VG die zulässige – unter Anerkennung bestimmter Beschränkungen räumlicher und zeitlicher Art – auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B zielende Klage abgewiesen. Die Klage ist unbegründet, denn ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis steht dem Kl. nicht zu.
Ein Wiedererteilungsanspruch setzt nach § 20 Abs. 1 FeV in Verbindung mit § 2 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG unter anderem voraus, dass der Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kfz geeignet ist. Dabei ist in körperlicher und geistiger Hinsicht geeignet, wer die diesbezüglich notwendigen Anforderungen erfüllt (§§ 2 Abs. 4 S. 1 StVG, 11 Abs. 1 FeV). Diesen ist nach § 11 Abs. 1 S. 2 FeV insb. dann nicht genügt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 zur FeV vorliegt, durch die oder den die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kfz ausgeschlossen wird. Nach § 11 Abs. 2 S. 1 FeV kann die Behörde bei Bekanntwerden von Tatsachen, die Bedenken an der körperlichen oder geistigen Fahreignung begründen, zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen. In Ergänzung hierzu gibt Vorbemerkung 2 zu besagter Anlage 4 allgemein vor, dass Grundlage der im Rahmen des § 11 FeV vorzunehm...