BGB § 190; SGB X § 116 § 119; SGB VI § 149
Leitsatz
1. Sind innerhalb einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig, nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten, so kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grds. auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an.
2. Das Wissen der Bediensteten der Leistungsabteilung ist selbst dann unerheblich, wenn die Mitarbeiter dieser Abteilung aufgrund einer Verwaltungsanordnung bei Erkennbarkeit von Regressansprüchen gegen Dritte zur Weitergabe der Schadensakte verpflichtet sind.
3. Bei längerfristigem Ausfall von Zahlungseingängen auf dem Versichertenkonto des Sozialversicherungsträgers ist dieser nicht verpflichtet unter Abweichung von der hierfür geltenden gesetzlichen Überprüfungsfrist von fünf Jahren eine individuelle Überprüfung in einem kürzerem Zeitabstand nach Erkennbarkeit des Ausfalls von Beiträgen durchzuführen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Frankfurt/Main – Zivilsenat in Darmstadt, Urt. v. 31.10.2013 – 22 U 89/12
Sachverhalt
Die klagende Sozialleistungsträgerin verfolgt die Verurteilung der beklagten Haftpflichtversicherung nach einem von dem VN der Bekl. verursachten und verschuldeten Unfall auf Ersatz von Rentenversicherungsbeiträgen auf der Grundlage der Differenz zwischen dem vorherigen Verdienst und dem nach dem Unfall erzielten Verdienst des Geschädigten. Die Leistungsabteilung der Kl. hatte nach dem Verkehrsunfall ihres Mitgliedes am 19.6.2006 Leitungen erbracht. Die Regressabteilung erhielt erst nach dem Juni 2009 Kenntnis von etwaigen Regressansprüchen gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung. Nach der Geschäftsanweisung der Kl. war die Leistungsabteilung verpflichtet, bei der Bearbeitung von Schadensfällen einschlägige Fälle der Möglichkeit eines Regresses an die Regressabteilung weiterzugeben. Eine solche Weitergabe unterblieb zunächst. Nach der Kontenklärung gem. SGB VI § 149 leitete die Leistungsabteilung im Jahre 2009 die Sache an die Regressabteilung weiter. Die Bekl. hat sich darauf berufen, dass der Regressanspruch der Kl., dessen Höhe in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, verjährt sei. Der Kl. sei grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der anspruchsbegründenden Umstände vorzuwerfen. Die Sachbearbeiter der Leistungsabteilung seien gehalten gewesen, noch im Jahre 2006 ihre sich aufdrängende Kenntnis von Regressansprüchen gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung der Regressabteilung mitzuteilen. Angesichts des langfristigen Ausfalls von Beiträgen des geschädigten Mitglieds der Kl. auf dem von der Kl. geführten Beitragskonto sei die Kl. gehalten gewesen, eine individuelle Prüfung des Versichertenkontos vorzunehmen, wobei der dies ausgleichende Regressanspruch der Kl. erkannt worden wäre.
Das LG ist von einer Verjährung der Ansprüche auf Ausgleichung der ausgefallenen Rentenversicherungsbeiträge ausgegangen und hat eine der Regressabteilung zuzurechnende grob fahrlässige, den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Unkenntnis der Kl. hinsichtlich der Regressansprüche sowohl darin gesehen, dass die Leistungsabteilung nicht bereits im Jahre 2006 die Regressabteilung von dem sich aufdrängenden Regressanspruch unterrichtet habe, wie auch darin, dass die Kl. wegen des erkennbaren Ausfalls eingehender Beiträge des Geschädigten keine Kontenklärung vorgenommen habe, die zur Kenntnis des Regressanspruchs geführt hätte.
Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"Die nach § 119 SGB X übergegangenen Schadensersatzansprüche des Geschädigten hinsichtlich des Ausfalls von Rentenversicherungsbeiträgen sind nicht verjährt. …"
Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (BGH, Urt. v. 22.4.1986 – VI ZR 133/85 und v. 12.5.2009 – VI ZR 294/08 – m.w.N.).
Sind innerhalb einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig – nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten –, so ko...