BGB § 254 Abs. 2
Leitsatz
Ein Anhaltspunkt dafür, ob der von dem Schädiger benannte Reparaturbetrieb für den Geschädigten ohne Weiteres zugänglich ist, kann der Vergleich der Entfernungen zwischen der markengebundenen Werkstatt und der freien Werkstatt von Wohnort und Unfallort sein.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Karlsruhe, Hinweisbeschl. v. 28.7.2015 – 1 U 135/14
Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall rechnete der Geschädigte auf Gutachtenbasis ab, wobei der Sachverständige die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zugrunde legte. Diese Werkstatt befand sich 3,7 km von dem Wohnort des Geschädigten entfernt. Im Rechtsstreit wies die beklagte Haftpflichtversicherung des Schädigers erstinstanzlich auf eine 22,1 km vom Wohnort des geschädigten Kl., 22,5 km vom Unfallort entfernte freie Werkstatt mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen hin. Das LG hielt die Verweisung aufgrund der größeren Entfernung der freien Werkstatt für unzumutbar. In der Berufung verwies die Bekl. auf eine im Stadtgebiet des Wohnortes des Kl. ansässige freie Werkstatt, die gleichfalls gegenüber der markengebundenen Werkstatt niedrigere Stundenverrechnungssätze aufwies. Der Kl. bestritt, dass dort eine günstigere Reparatur als in der markengebundenen Werkstatt möglich gewesen wäre.
In einem Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO wies das BG auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Berufung der beklagten Haftpflichtversicherung des Schädigers hin.
2 Aus den Gründen:
"1. Zu Recht ist das LG zunächst davon ausgegangen, dass die Bekl. den Kl. nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) auf die erstinstanzlich benannte günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen kann."
a) Zwar kann der Schädiger einen Geschädigten, der – wie vorliegend der Kl. – seinen Sachschaden auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens fiktiv abrechnet, grds. auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer für den Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder “freien‘ Fachwerkstatt verweisen, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2013 – Vl ZR 320/12 [juris Tz 8]; Urt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09 [juris Tz 13 ff.]). Der Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit kann, soweit dem nicht prozessuale Gründe entgegenstehen, auch noch im Rechtsstreit erfolgen (vgl. BGH, 15.7.2014 – VI ZR 313/13 [juris Tz 9]; Urt. v. 14.6.2013 – VI ZR 320/12 [juris Tz 10 f.]).
b) Gemessen hieran ist das LG jedoch im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Bekl. den Kl. nicht auf den von ihr zunächst benannten Reparaturbetrieb in G verweisen kann. Zwar kommt dabei – worauf die Bekl. zu Recht hinweisen lässt – dem Umstand, dass der Kl. zum Zeitpunkt der Mitteilung der anderweitigen Reparaturmöglichkeit bereits einen Reparaturauftrag erteilt hatte, angesichts dessen, dass dieser seinen Schaden fiktiv abrechnet keine Bedeutung zu (vgl. auch BGH, Urt. v. 16.7.2014 – VI ZR 313/13 [juris Tz 9]; Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12 [juris Tz 11]). Ein Anhaltspunkt dafür, ob der vom Schädiger benannte Reparaturbetrieb für den Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist, kann dagegen die Entfernung zwischen dem Wohnort des Geschädigten und einer markengebundenen Werkstatt sein (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2015 – VI ZR 267/14 [juris Tz 14]; Urt. v. 23.2.2010 – VI ZR 91/09 [juris Tz 12]). Dass sich eine markengebundene Fachwerkstatt in deutlich geringerer Entfernung zum Wohnort des Kl. (3,7 km) befindet als der von der Haftpflichtversicherung der Bekl. aufgezeigte Reparaturbetrieb, ergibt sich vorliegend bereits aus dem vom Kl. eingeholten Gutachten (Anlage K 1), wonach sich das Fahrzeug des Kl. zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen in dem – im Übrigen gerichtsbekannten – Audizentrum in der Gerwigstraße 83 in 76131 Karlsruhe befand. Auch ein zusätzlicher Transportaufwand kann bei der Beurteilung der Zugänglich- und damit Zumutbarkeit Berücksichtigung finden (vgl. auch BGH, Urt. v. 28.4.2015 – VI ZR 267/14 [juris Tz 14]). Vorliegend war das Fahrzeug des Kl. ausweislich des Schadensgutachtens zwar noch fahrfähig, aber nicht mehr verkehrssicher; dies folgt im Übrigen auch aus den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen, wonach infolge des Anstoßes am Vorderrad des Fahrzeugs zunächst das dortige Fahrwerk auf Beschädigungen untersucht werden musste. Es hätte somit auch für den Transport des Fahrzeugs des Kl. zu dem vom Haftpflichtversicherer der Bekl. vorgeschlagenen Reparaturbetrieb gesorgt werden müssen. Der Geschädigte ist aber nur gehalten, diejenigen Maßnahmen zur Schadensminderung zu ergreifen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch an seiner Stelle ergreifen würde (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB); entscheidender Abgrenzungsmaßstab is...