I. § 116 Abs. 6 S. 2 SBG X
Nach § 116 Abs. 6 S. 2 SGB X kann der Ersatzanspruch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadenereignisses die Ehe geschlossen hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Bei dieser Sachlage kommt es zwar zum Forderungsübergang, der Ersatzanspruch kann jedoch nicht durchgesetzt werden.
Das Privileg schützt den mit einem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Schädiger, wenn die privilegierenden Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bewirkung der Versicherungsleistung oder zur Zeit der Geltendmachung des Rückgriffes existieren, selbst dann, wenn bei Eintritt des Ereignisses die Beziehung noch nicht einmal im Kern angelegt war.
Ehe und häusliche Gemeinschaft müssen spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht im Regressverfahren vorliegen; der rechtskräftige Abschluss des Haftpflichtprozesses zwischen Schädiger und Geschädigtem zu diesem Zeitpunkt ist nicht von Bedeutung. Gleiches gilt für Partner nach dem LPartG.
Erfolgt die Heirat erst nach Leistung durch die Haftpflichtversicherung des Schädigers an die Krankenversicherung der Geschädigten, kann sich die Haftpflichtversicherung nicht auf das Familienprivileg berufen.
Das Privileg des § 116 Abs. 6 S. 2 SGB X gilt nur für Eheleute und kann grundsätzlich nicht auf Fälle ausgedehnt werden, in denen andere Angehörige nach dem Schadensereignis eine häusliche Gemeinschaft gründen.
Bestehen im Einzelfall jedoch keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch, ist die entsprechende Anwendung des S. 2 aber zumindest in Fällen der Adoption bzw. der Begründung eines auf Dauer angelegten Pflegekindverhältnisses nicht auszuschließen.
Zieht ein prinzipiell privilegiertes Kind, das den Schaden herbeiführte, später in den elterlichen Haushalt zurück oder wird der geschädigte Elternteil in den Haushalt des Kindes – z.B. im Rahmen einer Betreuung wegen des Unfalles oder später zwecks Versorgung im Alter – aufgenommen, stellt sich ebenfalls die Frage einer entsprechenden Anwendung des Privilegs. Das Angehörigenprivileg ist, wie auch das BVerfG betont, Ausdruck einer allgemeinen Wertung im Interesse der Erhaltung des Familienfriedens und finanziellen Leistungsfähigkeit dieser wirtschaftlichen Einheit. Dieses spricht dafür, auch in diesem Fall der erst später begründeten häuslichen Wirtschaftsgemeinschaft den Schutz des Angehörigenprivilegs zukommen zu lassen.
II. Regressausschluss im Rahmen von § 86 Abs. 3 VVG
1. Zeitpunkt des Schadens
Nur wer bei Eintritt des Schadens mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft wohnt, ist durch den Regressausschluss des § 86 Abs. 3 VVG privilegiert. Nach der herrschenden Meinung kommt es im Rahmen von § 86 Abs. 3 VVG allein auf den Zeitpunkt des Eintritts des Schadens an. Um Missbrauch zu vermeiden, habe der Reformgesetzgeber von 2008 das ausdrücklich in Absatz 3 aufgenommen. Sonst könnten die Beteiligten erst nach dem Eintritt des Schadens die häusliche Gemeinschaft begründen und dadurch die Voraussetzungen des Absatzes 3 schaffen.
2. Spätere Eheschließung
Um Ungereimtheiten zu vermeiden, muss angesichts der gebotenen einheitlichen Betrachtung des Privilegs die Bestimmung des § 116 Abs. 6 S. 2 SGB X für eine spätere Eheschließung und spätere Begründung der häuslichen Gemeinschaft für § 86 Abs. 3 VVG (wie zu § 67 Abs. 2 VVG a.F. anerkannt) ebenfalls gelten. § 86 Abs. 3 VVG will insofern keine Verschlechterung gegenüber der Vorgängerregel des § 67 Abs. 2 VVG. Bei einer Eheschließung ist eine gewisse Manipulationsgefahr als sehr gering zu veranschlagen, so dass eine Analogie des § 116 VI 2 SGB X bei späterer Eheschließung weiterhin anzunehmen ist.