Tarifbedingungen zu MB/KK 2009 AS 10 B Nr. 2.4.
Leitsatz
Sehen Tarifbedingungen zur privaten Krankheitskostenversicherung vor, dass Leistungen für "Hilfsmittel gleicher Art" (nur) einmal innerhalb von drei Jahren erstattungsfähig sind, ist damit der konkrete Verwendungszweck des Hilfsmittels, insb. bezogen auf das jeweils geschädigte Körperteil gemeint.
BGH, Urt. v. 24.6.2015 – IV ZR 181/14
Sachverhalt
Der Kl., dessen linkes Bein im Jahre 2011 am Oberschenkel amputiert wurde, verlangt von seinem privaten Krankheitskostenversicherer die Erstattung von 8.397,56 EUR für die Anschaffung einer Badeprothese.
Dem Versicherungsvertrag liegen die "AVB für die Krankheitskosten- und Krankheitstagegeldversicherung" des Bekl. zugrunde, welche im Teil I die Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK 2009), im Teil II davon abweichende Vertragsbedingungen des Bekl. sowie im Teil III (Tarif AS 100) Tarifbedingungen für ambulante Behandlung umfassen. Unter B (Leistungen des VR) Nr. 1.4 (Hilfsmittel) sieht der Tarif AS 100 die Erstattung von 100 % des erstattungsfähigen Rechnungsbetrages abzüglich einer Selbstbeteiligung von 16 EUR pro Hilfsmittel bei Männern, Frauen und Jugendlichen vor. Weiter heißt es unter Nr. 2.4:
"Hilfsmittel"
Erstattungsfähig sind Kosten für technische Mittel, die körperliche Behinderungen unmittelbar mildern oder ausgleichen sollen.
Das sind: Sehhilfen, Arm- und Beinprothesen, …
Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art sind einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig.“
Der Kl. ist mit einer Kniegelenksprothese im Anschaffungswert von circa 44.000 EUR versorgt, in der – gespeist von einem Akku – elektronische Bauteile (Sensoren und Microprozessoren) den durch elektrischen Antrieb unterstützten Bewegungsablauf steuern. Er meint, diese Prothese eigne sich nicht für den Einsatz in Situationen, in denen sie wie etwa beim Duschen, im Schwimmbad oder am Strand der Gefahr von Spritzwasser ausgesetzt sei. Deshalb habe er im Dezember 2012 nach unstreitiger ärztlicher Verordnung eine Badeprothese zum Preise von 8.397,56 EUR erworben, deren Kosten der Bekl. erstatten müsse.
LG und OLG haben dem Kl. den Anspruch zugesprochen.
2 Aus den Gründen:
[6] "… Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das BG."
[7] I. Dieses sieht in der vom Kl. erworbenen Badeprothese eine grds. erstattungsfähige Beinprothese i.S.d. in B Nr. 2.4 Abs. 2 des Tarifs AS 100 aufgestellten Hilfsmittelkataloges, der nicht zwischen Badeprothesen und spritzwasserungeeigneten Prothesen unterscheide. Die medizinische Notwendigkeit der Versorgung des Kl. mit der Badeprothese ergebe sich zwar nicht bereits aus dem bloßen Umstand einer ärztlichen Verordnung; sie folge aber daraus, dass er zur Wiederherstellung seiner Mobilität darauf angewiesen sei. Für diesen Ausgleich eigne sich die Hauptprothese des Kl. in spritzwassergefährdeter Umgebung (etwa beim Duschen oder im Schwimmbad) nicht. Es sei im Übrigen weder dem Kl. noch der Versichertengemeinschaft zuzumuten, die teure Hauptprothese der Gefahr auszusetzen, dass ein zu ihrem Schutz verwendeter Skin-Überzug reiße, elektronische Bauteile Schaden nähmen und hohe Reparatur- oder Ersatzbeschaffungskosten entstünden. Bei einem derart teuren Hilfsmittel müssten Spritzwasserschäden stattdessen zuverlässig ausgeschlossen werden. Das sei nur bei Benutzung der Hauptprothese in nicht spritzwassergefährdeter Umgebung gewährleistet.
[8] Der Kl. verstoße auch nicht gegen seine Schadenminderungspflicht aus § 194 Abs. 1 S. 1 und § 82 VVG. Der Skin-Überzug könne insoweit nicht als gleichwertiges, kostengünstigeres Hilfsmittel angesehen werden.
[9] Der Bekl. könne sich auch nicht auf die Dreijahresbegrenzung für Hilfsmittel gleicher Art aus B Nr. 2.4 Abs. 4 des Tarifs AS 100 berufen. Die Auslegung der Klausel aus der Sicht eines durchschnittlichen VN ergebe, dass deren Voraussetzung einer Gleichartigkeit zwischen Haupt- und Badeprothese nicht erfüllt sei. Abzustellen sei auf die jeweilige Funktion des Hilfsmittels, die hier für beide Prothesen unterschiedlich sei. Die Badeprothese solle dem Kl. die Teilhabe in Lebensbereichen ermöglichen, in denen sich die Hauptprothese gerade als ungeeignet erweise.
[10] Wollte man dies anders sehen, verstieße die Klausel B Nr. 2.4 Abs. 4 des Tarifs AS 100 gegen zwingendes Recht. Der Versicherungsvertrag diene der Erfüllung der Versicherungspflicht des Kl. aus § 193 Abs. 3 S. 1 VVG, weshalb private Krankenversicherer aufsichtsrechtlich verpflichtet seien, einen Basistarif anzubieten, der dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar sei. Zum Anspruch der dortigen Versicherten auf Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V habe das BSG (Urt. v. 25.6.2009 – B3 KR 19/08 R, juris) entschieden, dass Kosten einer Badeprothese zusätzlich zu denen einer spritzwasserungeeigneten Prothese vom VR übernommen werden müssten, wenn die Badeprothese Nachteile der Alltagsprothese im Nassbereich ausgleiche. Dahinter dürfe die ...