AKB 2008 A 2.3.2 A 2.7.1 A 2.8
Leitsatz
1. Können Vorschäden von den durch den behaupteten Versicherungsfall verursachten Schäden hinreichend sicher abgegrenzt werden, sind diese im bedingungsgemäßen Umfang eines Kaskoversicherungsvertrages zu erstatten.
2. Der Abzug einer vereinbarten Selbstbeteiligung ist als Rechtsanwendung von Amts wegen zu berücksichtigen.
3. Der Kaskoversicherer kann sich nicht (mehr) auf fehlende Fälligkeit berufen, weil das nach A.2.17 AKB grds. obligatorische Sachverständigenverfahren nicht durchgeführt worden sei, wenn er zuvor unmissverständlich klar gemacht hat, dass er die erhobenen Ansprüche zurückweist und keine Zahlungen leisten wird.
4. Kosten des VN für die Inanspruchnahme eines Sachverständigen können trotz A.2.8 AKB als Schadensersatz zu ersetzen sein, wenn sie nach unberechtigter Leistungsablehnung anfallen. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs richtet sich dann, wenn mit dem Sachverständigen keine Honorarvereinbarung getroffen wurde, nach § 632 Abs. 2 BGB und kann anhand der BVSK-Honorarbefragung (Auswertung des jeweiligen Postleitzahlengebiets) ermittelt werden.
LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 16.7.2015 – 8 O 7943/13
Sachverhalt
Die Kl. verlangt nach einem von ihr behaupteten nächtlichen Unfall – der Kollision im Heckbereich ihres bei der Bekl. kaskoversicherten Pkw mit einem Felsblock beim Wenden – Ersatz fiktiver Reparaturkosten sowie der Kosten eines SV. Einige Monate zuvor entstandener und nicht reparierter Vorschaden wurde im von der Kl. in Auftrag gegebenen Schadensgutachten dokumentiert. Von weiteren vor dem Erwerb des Kfz vorhandenen Vorschäden will sie keine Kenntnis gehabt haben. Die Bekl. bestreitet einen Unfall und die Abgrenzbarkeit der Vorschäden von dem (angeblichen) Unfallschaden. Sachverständigenkosten seien nicht erstattungsfähig. Da das Sachverständigenverfahren nicht durchgeführt sei, sei ein Anspruch auch nicht fällig.
2 Aus den Gründen:
" … Die Kl. hat nach § 1 S. 1 VVG i.V.m. A.2.3.2, A.2.7.1 Buchst. b AKB Anspruch auf Reparaturkosten von 8.545,72 EUR und Anspruch auf Freistellung von Sachverständigenkosten i.H.v. 958,63 EUR."
I. Der Kl. ist der ihr obliegende Nachweis des Versicherungsfalls “Unfall‘ nach A.2.3.2 Abs. 1 AKB gelungen.
1. Die Zeugin A, die Freundin des Eigentümers X hat im Rahmen ihrer Vernehmung (lediglich sie war für den Hergang des behaupteten Versicherungsfalles als Zeugin benannt) den Vorfall detailreich und nachvollziehbar geschildert (wird ausgeführt).
Diese Angaben werden auch durch die Ausführungen des Gerichtssachverständigen gestützt, der erläutert hat, dass die von ihm nachvollziehbaren Beschädigungen im Heckbereich rechts von einem groben, festen Gegenstand verursacht wurden …
2. Dass diese Kollision mit dem Felsblock auch unfreiwillig war, ist nicht von der Kl. als VN zu beweisen (BGH VersR 1981, 450), sondern obliegt als Einwand gem. § 81 VVG (vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls) der Beweislast des VR. … Für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls, die die Bekl. zumindest konkludent behauptet hat, hat sie jedoch keinen Beweis angeboten. Der Umstand, dass die Kl. zunächst versucht hat, mit dem vorgelegten Schadensgutachten K auch Schäden abzurechnen, die nicht dem streitgegenständlichen Unfall zuzuordnen sind, sondern auf Vorschäden beruhen … , genügt als Indiz hierfür nicht. Die Kl. hat unwidersprochen vorgetragen und im Übrigen auch durch Vorlage des schriftlichen Kaufvertrages, mit dem der Eigentümer X das Fahrzeug am 15.3.2012 angekauft hat, belegt, dass das Fahrzeug als unfallfrei ohne Mängel gekauft wurde. Dies spricht dafür, dass der Kl. bzw. dem Eigentümer (vgl. AKB A.2.4) die Vorschäden nicht bekannt waren. Dann wiederum kann jedenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit darauf geschlossen werden, dass die Abrechnung dieser Vorschäden durch das Sachverständigengutachten Teil einer arglistigen Täuschung der Bekl. zu Versicherungsfall und Schadenshöhe ist.
II. Die Kl. hat Anspruch auf Reparaturkosten i.H.v. 8.245,72 EUR.
1. Nach A.2.7.1 hat die Bekl. nur die Reparaturkosten zu erstatten, die durch den konkreten Unfall erforderlich geworden sind (Meinecke, in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB A.2.7 Rn 7).
Der Sachverständige hat im Rahmen seiner schriftlichen Ausführungen aber nachvollziehbar dargelegt, dass am versicherten Fahrzeug noch weitere, vom konkreten Versicherungsfall unabhängige Schäden vorhanden waren, die – zumindest zum Teil – in die Kalkulation des Sachverständigen K Eingang gefunden haben. Die Bekl. hat hierzu zu zwei weiteren Schadensfällen vom August 2009 und April 2010 – mitten vor der Besitzzeit des Eigentümers X – vorgetragen.
Dann gilt in rechtlicher Hinsicht Folgendes: Gibt es zumindest eine Teilüberlagerung von Vorschäden mit geltend gemachten Schäden, trägt der VN die volle Beweislast für die Abgrenzung des Neuschadens. Er hat dafür zu sorgen, dass entsprechende zuverlässige Feststellungen ermöglicht werden und trägt das Risiko der Nichterweislichkeit einer zur Regulierung tauglichen Schadensabgr...