Kein anderes Thema wird zwischen den Kfz-Versicherern und der Anwaltschaft kontroverser diskutiert als das Schadenmanagement. Nach Mitteilung des GDV regulieren die deutschen Kfz-Versicherer pro Jahr 10 Millionen Schäden, wobei die Entschädigungsleistung bei ca. 20 Mrd. EUR pro Jahr – Tendenz steigend – liegt. Der Begriff des Schadenmanagements ist gleichbedeutend mit der strukturierten, automatisierten und organisierten Bewältigung von Schadenfällen, sei es seitens der Kfz-Versicherung, sei es durch Anwälte, Werkstätten oder sonstige Dritte.
Schadenmanagement bedeutet für den Geschädigten Unfallabwicklung vom Profi. Neben fundierten Kenntnissen des Verkehrsanwalts liegt der Vorteil des Geschädigten auch in der zuverlässigen Bearbeitung von Unfallschäden in Form von deutlich beschleunigten Ablaufprozessen und Zahlungsabläufen, natürlich verbunden mit entsprechender Expertise.
Von Seiten der Versicherer wird dieser automatisierte Prozess u.a. zunehmend als unternehmerische Steuerungsaufgabe zur Reduzierung des Schadenvolumens begriffen. Die Phantasie der Kfz-Versicherer zur Erreichung der Kostenreduzierung im Bereich der Unfallregulierung scheint grenzenlos. Waren bislang Maßnahmen wie eine erhöhte Prozesstätigkeit aufgrund restriktiver Regulierungspraxis ein probates Mittel zur Kostenreduzierung, sind die jüngsten Strategien des "aktiven Schadenmanagements" auf schnellen, direkten Erstkontakt ausgerichtet, um schneller und intensiver auf den Geschädigten zuzugreifen, um diesen sozusagen von seinem Thron als "Herr des Restitutionsgeschehens" zu stoßen – hin sogar bis zur Errichtung eigener Restwertbörsen.
Der Umstand, dass in der alltäglichen Regulierungspraxis jedes unabhängig erstellte, eingereichte Kfz-Schadengutachten – zum Zwecke der Kürzung – durch interne oder externe Gutachter zur vollständigen Überprüfung noch vor der Vorlage an den Schadensachbearbeiter des Versicherers weitergereicht wird, verwundert heute kaum noch.
Nunmehr erfolgt die Steuerung teilweise auch über die Werkstätten direkt, nämlich über entsprechende Rahmenverträge, durch die die Werkstätten unter strengen Vorgaben zur Kostenoptimierung verpflichtet werden – sei es durch niedrigere Preisabsprachen, sei es durch alternative Reparaturmethoden. Als Gegenleistung winken "Werkstattbindung", eine kurzfristige Freigabe der Reparatur innerhalb weniger Stunden und Zahlung der Reparaturkosten innerhalb weniger Werktage.
Eine weitere, stark erfolgversprechende Strategie ist es, den Unfallgeschädigten selbst unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis "abzuholen", um diesem das "Rundum-Sorglos-Paket" anzubieten, ihn sozusagen direkt in das geschaffene Netz kostengünstiger Partnerwerkstätten, Sachverständigengutachter und Mietwagenunternehmen überzuleiten – natürlich ohne überflüssigen Umweg über einen Anwalt. Die wirkliche Qualität der hier angebotenen Leistungen bleibt dem Geschädigten zumeist verborgen.
Nimmt der – im Prinzip nur hilfesuchende – Geschädigte diese gutgemeinte Unterstützung nicht an, so schwebt das "Damoklesschwert" der Schadenminderungspflicht über ihm. Der Unfallgeschädigte wird beispielsweise unmittelbar nach Schadenmeldung durch den Versicherer darüber in Kenntnis gesetzt, welche maximalen Preise für Mietwagen- oder Sachverständigenkosten einer jeweiligen Kategorie erstattet werden. Widersetzt er sich, droht die unweigerliche Kürzung ggf. berechtigter Ansprüche.
Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV sieht sich hier in ihrer notwendigen Aufgabe als Korrektiv, Geschädigte darauf hinzuweisen, die Kontrolle über die Schadenregulierung nicht abzugeben. Hilfreich dabei ist der nunmehr anstehende, informative Schadenkongress "Autoschaden geRecht – werkstattfreundliches Schadensmanagement", der am 9.11.2015 in Köln stattfinden wird, damit der Geschädigte auch "Herr des Restitutionsgeschehens" bleibt.
Autor: Claudio La Malfa
RA Claudio La Malfa, FA für Verkehrsrecht, Emmendingen
zfs 11/2015, S. 601