ZPO § 278 Abs. 6 S. 1 Var. 2
Leitsatz
Hinweis: Das in zfs 9/2015, 509 ff. veröffentlichte Urteil des LG Saarbrücken ist unter einem falschen Aktenzeichen abgedruckt worden. Das richtige Aktenzeichen lautet: 13 S 124/14. Das redaktionelle Versehen bitten wir zu entschuldigen.
1. Grundsätzlich kann ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 S. 1 Var. 2 ZPO nur durch Annahme des schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts durch zustimmende Schriftsätze der Parteien geschlossen werden.
2. Hatte der Prozessbevollmächtigte einer Partei in der gerichtlichen Verhandlung nach Diktat des gerichtlichen Vergleichs auf einen Tonträger und erneutem Vorspielen erklärt, er genehmige das Diktat und erkläre seine Zustimmung nach § 278 Abs. 6 ZPO, kann er sich nicht darauf berufen, dass der Vergleich prozessual nicht wirksam zustande gekommen ist.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 14.7.2015 – VI ZR 326/14
Sachverhalt
Nachdem erstinstanzlich die Klage abgewiesen worden war und der Kl. mit seiner angefochtenen Entscheidung die Verurteilung der Bekl. weiter verfolgt hatte, schlug das BG in der mündlichen Verhandlung den Abschluss eines Vergleichs vor. Der Vorsitzende des Senats diktierte den Vergleichstext zu Protokoll der mündlichen Verhandlung auf einen Tonträger. Die Aufzeichnung wurde den Parteivertretern und den Parteien vorgespielt. Der Prozessbevollmächtigte der Kl. erklärte daraufhin zu Protokoll:
"Der Vergleichstext ist uns soeben vorgespielt worden. Er wird genehmigt und es wird hiermit die Zustimmung nach § 278 Abs. 6 ZPO erteilt."
Auch diese Erklärung wurde zu Protokoll der mündlichen Verhandlung und, nachdem sie den Parteivertretern und Parteien vorgespielt worden war, von dem Klägervertreter genehmigt. Das BG setzte dem Bekl. in einem alsdann verkündeten Beschluss Frist zur Zustimmung zu dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag nach § 278 Abs. 6 ZPO binnen zwei Wochen. Die Übertragung des aufgezeichneten Protokolls der mündlichen Verhandlung wurde den Parteivertretern am 2.4.2014 zugestellt. Nachdem der Bekl. dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag zugestimmt hatte, stellte das BG am 16.4.2014 das Zustandekommen des Vergleichs fest. Dieser Beschluss wurde dem Klägervertreter am 22.4.2014 zugestellt. Mit am 14.6.2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Klägervertreter geltend gemacht, der Vergleich sei prozessual nicht wirksam zustande gekommen, und zusätzlich den Vergleich wegen Irrtums und arglistiger Täuschung angefochten. Weiterhin hat er sich darauf berufen, dass eine zur Unwirksamkeit des Vergleichs führende Störung der Geschäftsgrundlage vorliege. Das BG hat durch Urteil festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Vergleich erledigt sei. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Kl. ihre Anträge auf Fortsetzung des Rechtsstreits und die Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs. Die Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[11] "… 1. Der erkennende Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des BG, wonach der Abschluss des Vergleichs den Formvorschriften des § 278 Abs. 6 S. 1 Var 2 ZPO entsprochen habe. Der Prozessvergleich ist zwar nicht formwirksam (unter c). Die Kl. kann sich jedoch nach den gegebenen Umständen darauf nicht berufen (unter d). Der Rechtsstreit zwischen den Parteien ist durch den Prozessvergleich, der mit Beschl. v. 16.4.2014 festgestellt worden ist, beendet worden."
[12] a) Der Prozessvergleich hat eine rechtliche Doppelnatur. Er ist zum einen Prozesshandlung, durch die der Rechtsstreit beendet wird und deren Wirksamkeit sich nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen bestimmt. Dazu ist er ein privates Rechtsgeschäft, für das die Vorschriften des materiellen Rechts gelten und mit dem die Parteien Ansprüche und Verbindlichkeiten regeln (BGHZ 164, 190, 193 f. = NJW 2005, 3576 m.w.N.; vgl. auch BGHZ 142, 84, 88 = NJW 1999, 2806; BGHZ 79, 71, 74 = NJW 1981, 823; BGHZ 41, 310, 311 = NJW 1964, 1524; BGHZ 28, 171, 172 = NJW 1958, 1970; BGHZ 16, 388, 390 = NJW 1955, 705; OLG Hamm, NJW-RR 2012, 882). Prozesshandlung und privates Rechtsgeschäft stehen nicht getrennt nebeneinander. Vielmehr sind die prozessualen Wirkungen und die materiell-rechtlichen Vereinbarungen voneinander abhängig (BGHZ 164, 190, 194 = NJW 2005, 3576; BGHZ 79, 71 = NJW 1981, 823). Der Prozessvergleich ist nur wirksam, wenn sowohl die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Vergleich als auch die prozessualen Anforderungen erfüllt sind, die an eine wirksame Prozesshandlung zu stellen sind. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, liegt ein wirksamer Prozessvergleich nicht vor; die prozessbeendigende Wirkung tritt nicht ein (BGHZ 164, 190 = NJW 2005, 3576; vgl. auch BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705). Das gilt auch für den Prozessvergleich i.S.d. § 278 Abs. 6 ZPO (vgl. BT-Drucks 14/4722, 82; BAGE 120, 251 = NJW 2007, 1831 Rn 15; OLG Hamm NJW-RR 2012, 882; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 278 Rn 79; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 36. Aufl., § 794 Rn 2 f.).
[13] b) Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des BG, dass der Vergleich nicht sc...