BGB § 779; ZPO § 256
Leitsatz
Ist in einem Abfindungsvergleich die Abgeltung des gesamten materiellen Schadens des Geschädigten vereinbart, erfasst die Abgeltung auch die Rechtsanwaltskosten, welche der Geschädigte im weiteren Verfahren aufwendet, um ihm im Abfindungsvergleich vorbehaltene Ansprüche geltend zu machen.
(Leitsatz des Einsenders)
LG Hanau, Urt. v. 11.12.2015 – 9 O 651/15
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die fortbestehende Schadensersatzpflicht der beklagten Haftpflichtversicherung sowie um die Zahlung von Rechtsanwaltskosten. Die Kl. war im Rahmen eines Verkehrsunfalls zwischen ihr und dem bei der Bekl. haftpflichtversicherten Fahrer eines Kfz erheblich verletzt. Die volle Haftung der Bekl. ist unstreitig.
Die Parteien schlossen am 31.8.2001 einen Vergleich, in dem sich die Bekl. zur Zahlung eines Betrags von 135.000 DM verpflichtete.
Mit Zahlung dieses Betrags sollten alle Ersatzansprüche der Kl. aus dem Unfallereignis vollständig und endgültig abgegolten sein. Vorbehalten blieb jedoch "im Rahmen der hier bestehenden Deckungssumme ein immaterieller Zukunftsschaden für den Fall der wesentlichen Verschlechterung, insb. bei Problemen in Form einer unfallbedingten Hüftoperation oder unfallbedingten Wirbelsäulenproblemen, sowie ein materieller Zukunftsschaden in Form von Heilbehandlungskosten, soweit nicht Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte eintreten." Zudem wurden die vorbehaltenen Ansprüche von der Bekl. in einer ein Feststellungsurteil ersetzenden Weise anerkannt.
Nachdem sich der Gesundheitszustand der Kl. seit der Unterzeichnung des Vergleichs verschlechterte, forderte die Kl. von der Bekl. ein weiteres Schmerzensgeld. Im Einvernehmen beider Parteien holte die Kl. ein Gutachten eines Universitätsklinikums ein. Dieses bestätigte die erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Kl. und prognostizierte weitere Verschlechterungen für die Zukunft. Nach Verhandlungen über die Höhe des weiteren Schmerzensgeldes erklärte sich die Kl. mit der Zahlung weiterer 24.000 EUR abgefunden. Zusätzlich bat sie um "Klarstellung" dass es sich insoweit um ein Teil-Schmerzensgeld handele und für den Fall weiter eintretender Unfallfolgen die Forderung eines weiteren Schmerzensgeldes vorbehalten bleibe. Die Bekl. zahlte das vereinbarte Schmerzensgeld und lehnte eine Klarstellungserklärung ab. Sie hielt die von ihr abgegebene Erklärung in dem Abfindungsvergleich für ausreichend. Die Zahlung der bei der Kl. angefallenen Rechtsanwaltskosten lehnte die Bekl. mit der Begründung ab, dieser materielle Schaden sei durch den Abfindungsvergleich abgegolten und werde von dem Vorbehalt nicht umfasst.
Mit dem Klageantrag zu 1) hat die Kl. zunächst den Ausspruch der Feststellung verlangt, dass die Bekl. zur Leistung weiteren immateriellen und materiellen Schadensersatzes im Rahmen der Deckungssumme für den Fall der unfallbedingten Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Kl. verpflichtet ist und weiterhin die Verurteilung der Bekl. zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten verlangt.
Die Bekl. hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie sich weiterhin an die Abfindungserklärung und die darin enthaltenen Vorbehalte für Zukunftsschäden gebunden fühle. Der Kl. bleibe vorbehalten, unter den Voraussetzungen des Abfindungsvergleichs weitere Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die Kl. hat daraufhin den Feststellungsanspruch für erledigt erklärt. Die Bekl. hat der Erledigungserklärung widersprochen. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, da diesem Antrag ein Feststellungsinteresse fehle. Die Erklärung der Anerkennung des etwaigen Anspruchs der Kl. habe die Wirkung eines Feststellungsurteils, im Übrigen sei der Anspruch auf Feststellung auch unbegründet, da die Kl. durch den Vorbehalt ausreichend geschützt sei. Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten sei unbegründet, da dieser nicht vorbehaltene materielle Schaden durch die Zahlung aufgrund des Vergleichs abgegolten sei.
Die Klage blieb erfolglos.
2 Aus den Gründen:
" … Die Erledigung der Hauptsache bezüglich des Klageantrags zu 1) war nicht festzustellen, da die Klage insoweit ursprünglich unzulässig war."
Prozessvoraussetzung für die Feststellungklage ist unter anderem das schutzwürdige Interesse des Kl. an alsbaldiger Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, § 256 Abs. 1 ZPO. Ein solches Feststellungsinteresse besteht grds. nur, wenn dem subjektiven Recht des Kl. eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Bekl. es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kl. berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rn 7 m.w.N.).
Die Bekl. hat ihre weitere Schadensersatzpflicht entsprechend dem am 31.6.2001 geschlossenen Vergleich jedoch nicht bestritten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Bekl. ihrer Zahlungspflicht im Falle einer weiteren wesentlichen Verschlechterung der Gesundheit der ...