StVO § 4 Abs. 1; OWiG § 17 Abs. 3
Leitsatz
1. Tatbestandsmäßig im Sinne eines Abstandsverstoßes nach § 4 Abs. 1 StVO handelt, wer zu irgendeinem Zeitpunkt seiner Fahrt objektiv pflichtwidrig und subjektiv vorwerfbar den im einschlägigen Bußgeldtatbestand normierten Abstand – und sei es auch nur um wenige Zentimeter – unterschreitet.
2. Bei einer Ahndung mit Geldbuße von mehr als 250 EUR ist von einer nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeit auszugehen, die die Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betr. zur Bußgeldbemessung grds. auch dann erfordert, wenn es sich um die Regelsanktion nach dem Bußgeldkatalog handelt.
OLG Koblenz, Beschl. v. 12.9.2016 – 2 OWi 4 SsBs 50/16
Sachverhalt
Gegen den Betr. wurde wegen Unterschreitung des erforderlichen Mindestabstands zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in zwei tateinheitlichen Fällen ein Bußgeld von 290 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat mit Schonfrist festgesetzt. Das AG bestätigte dies im Urt., das in Abwesenheit erging. Das Urt. wurde dem Verteidiger am 19.5.2016 zugestellt. Gegen das Urt. hat der Betr. am 20.5.2016 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit am 21.6.2016 eingegangenen Schriftsatz näher begründet. Mit dem gleichfalls angegriffenen Beschl. v. 21.6.2016, zugestellt am 23.6.2016, hat das AG die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Betr. am 23.6.2016 auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt.
Das OLG Koblenz hat den Beschl. des AG aufgehoben und die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die verhängte Geldbuße auf 250 EUR herabgesetzt wird.
2 Aus den Gründen:
"II. 1. Der Beschl. v. 21.6.2016 war auf Antrag nach § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 StPO aufzuheben, weil das AG die Rechtsbeschwerde des Betr. rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen hat. Die Rechtsbeschwerde ist fristgerecht eingelegt sowie frist- und formgerecht begründet worden. Die mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Entscheidung erging am 2.5.2016 in Abwesenheit des Betr. und seines Verteidigers und wurde am 19.5.2016 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde lief damit gem. § 79 Abs. 4 OWiG i.V.m. § 43 Abs. 2 StPO bis zum 27.5.2016, so dass die am 28.5.2016 beginnende Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 345 Abs. 1 S. 1 StPO erst am 28.6.2016 ablief. Ist das Urt. – wie vorliegend – schon vor der Rechtsbeschwerdeeinlegung zugestellt worden, so schließt sich die Frist des § 345 Abs. 1 S. 1 StPO an die des § 79 Abs. 4 OWiG an (vgl. für die Revision: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 345 Rn 4 unter Verweis auf BGHSt 36, 241)."
2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde nur im Rechtsfolgenausspruch bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Erfolg.
Auf die vom Betr. hin erhobenen Verfahrensrügen ist eine Aufhebung des Urt. aus den zutreffenden Ausführungen der GenStA in deren Stellungnahme v. 20.7.2016, auf die Bezug genommen wird, nicht veranlasst. Die Urteilsfeststellungen tragen die zur Aburteilung gelangten Ordnungswidrigkeiten rechtsfehlerfrei. Die GenStA hat hierzu in ihrer Stellungnahme folgendes ausgeführt:
“Bei der Geschwindigkeits- und Abstandsmessung ProViDa 2000 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Koblenz, Beschl. v. 24.7.2001 – 1 Ss 203/01), so dass es genügt, wenn der Tatrichter im Urt. das angewendete Messverfahren und das nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Messergebnis angibt. Die aus der Geschwindigkeitsberechnung folgende Abstandsmessung anhand einer Einzelbildauswertung erweist sich demgegenüber als nicht standardisiert (OLG Hamm, Beschl. v. 4.12.2008 – 3 Ss OWi 871/08), da die Abstände, anders als die Geschwindigkeit, nicht elektronisch gemessen, sondern errechnet werden. Die Auswertung und Berechnung müssen in den Urteilsgründen verständlich und widerspruchsfrei dargelegt werden, um eine Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu ermöglichen (OLG Hamm a.a.O.). Diesen Anforderungen genügen die tatrichterlichen Feststellungen. Danach ist aufgrund der Fahrtstrecken, in welchen die Abstandsunterschreitungen begangen wurden, nicht nur von einer kurzfristigen Überschreitung des Sicherheitsabstandes zu schließen (Bl. 4 und 5 d.U.) und die der Abstandermittlung zugrundeliegende Berechnung ist in ausreichender Weise dargelegt.
Soweit der Beschwerdeführer unter Ziff. 4. der Beschwerdebegründung rügt, das Gericht habe bei der Ermittlung der Geschwindigkeiten nicht die im Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport v. 1.2.2003 (344/20 250, MinBl. 2003, S. 190) für Videomessungen vorgeschriebenen Toleranzabzüge von 5 % zur Anwendung gebracht, bezieht sich der zitierte Wert auf Geschwindigkeitsüberwachung mit speziellen Geschwindigkeitsmessgeräten (s. Ziff. 5.1. der Richtlinie), nicht auf Abstandsmessungen mittels Videonachfahreinrichtung “Proof Video Data System’ (ProViDa), die hingegen Gegenstand des Rundschreibens des Ministerium des Innern für Sport und Infrastruktur v. 1.7.2011 (344/20 21, MinBl. 201...