I. Dieselbe Rechtssache
Die für das Vorliegen des Tatbestandes erforderliche Rechtssache ist jede rechtliche Angelegenheit, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll. Maßgebend dafür, ob die Rechtssache dieselbe ist, ist der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Angelegenheit. Auf einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Beauftragung und Tätigwerden kommt es nicht an. Insgesamt entspricht der Begriff derselben Rechtssache dem der Tat im prozessualen Sinne gem. § 264 StPO, die sich durch einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang, der sich von anderen unterscheidet, definiert.
Vor dem Hintergrund dieser Definition liegt das Tatbestandsmerkmal derselben Rechtssache ohne Weiteres vor, denn es wird durch ein einheitliches Verkehrsunfallgeschehen vermittelt, das Anknüpfungspunkt für das Tätigwerden des Rechtsanwalts sowohl für den Mandanten als auch für die gegnerische Haftpflichtversicherung bei der Besorgung des Aktenauszugs ist.
II. Dienen beider Parteien
In dieser Rechtssache muss der Rechtsanwalt beiden Parteien gedient haben. Unter den Begriff des Dienens fällt die gesamte berufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts durch Rat und Beistand. Durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts kommt zwischen ihm und dem Mandanten ein Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB in der Regel mit Dienstvertragscharakter zustande. Diese entgeltliche Geschäftsbesorgung liegt nicht nur in Bezug auf den Mandanten bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs aus dem Unfall vor, sondern auch bei der Besorgung des Aktenauszugs für die gegnerische Versicherung, da diese dem Rechtsanwalt für diese Tätigkeit gegen Kostenrechnung eine Gebühr bezahlt. Die Übersendung eines Aktenauszugs an die gegnerische Versicherung zur Beschleunigung der Abwicklung geht über das rein formal-technische Handeln hinaus und kommt deshalb als tatbestandliches Dienen in Betracht. Der Rechtsanwalt hat somit in dieser Verkehrsunfallsache zwei Mandanten, für die er tätig ist.
III. Pflichtwidrigkeit
Problematisch und Gegenstand eingehender Prüfung ist das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit des Dienens. Dies wird angenommen, wenn der Rechtsanwalt einer Partei Rat und Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in derselben Sache, aber im entgegengesetzten Sinne, bereits Rat und Beistand gewährt hat. Entscheidend ist das Beraten und Vertreten im entgegengesetzten Interesse. Einigkeit besteht auch darin, dass die Zustimmung einer Partei zum Tätigwerden des Rechtsanwalts für die Gegenseite die tatbestandliche Pflichtwidrigkeit nicht ausschließt, da die Partei über das Rechtsgut des § 356 StGB nicht disponieren kann.
Entscheidend ist somit der Interessengegensatz der Parteien. Ob ein solcher bei der Übersendung eines Aktenauszugs mit nachteiligen Zeugenaussagen an die gegnerische Versicherung anzunehmen ist, hängt davon ab, wie man den Interessengegensatz definiert. So kann dieser objektiv, d.h. vom Standpunkt der Parteien unabhängig, nach der "wirklichen Rechtslage" bestimmt werden. Danach läge bei der Beschaffung des Aktenauszugs mit nachteiligen Zeugenaussagen der Interessengegensatz auf der Hand. Erfährt die Versicherung hiervon, so wird sie sich darauf berufen und zu ihren Gunsten die Ansprüche des Unfallbeteiligten im Hinblick auf § 254 Abs. 1 BGB kürzen, was naturgemäß nicht in dessen Interesse ist. Definiert man den Interessengegensatz subjektiv, d.h. von dem Interesse und der Zielsetzung der jeweiligen Partei her, dürfte das Ergebnis ein anderes sein. Erteilt der Mandant in der Hoffnung auf eine schnellere Regulierung, auch mit dem Risiko von Abzügen bei der zu erstattenden Schadenssumme, dem Rechtsanwalt nach Rückfrage ausdrücklich die Anweisung, den Aktenauszug der Versicherung zu übersenden, so handelt dieser im (subjektiven) Interesse seines Mandanten und nicht im entgegengesetzten, so dass die Pflichtwidrigkeit des Dienens zu verneinen wäre.
Der Rechtsanwalt steht nunmehr vor der schwierigen Situation, dass die Rechtsprechung zur Bestimmung des entgegengesetzten Interesses uneinheitlich ist. Es wird zwar eine Tendenz zur subjektiven Sicht ausgemacht. Der Hinweis in einer Entscheidung des BGH, die Frage sei im Sinne der subjektiven Sicht entschieden, scheint dies auch zu bestätigen. Auf der anderen Seite ist aber zur Kenntnis zu nehmen, dass es ebenso zahlreiche Entscheidungen gibt, die den rein objektiven Ansatz verfolgen. Dies legt den Befund nahe, dass sich die Rechtsprechung letztlich nicht abschließend festlegen will, sondern ergebnisorientiert am jeweiligen konkreten Einzelfall i...