BGB § 280 § 634 Nr. 4
Leitsatz
1. Hat ein Kfz-Sachverständiger im Rahmen seiner Schadensbegutachtung den Restwert fehlerhaft ermittelt, besteht der Schaden bei Abrechnung auf Totalschadensbasis in der Differenz zwischen dem regulierten Wiederbeschaffungsaufwand und dem Wiederbeschaffungsaufwand, wie er sich bei fehlerfreier Ermittlung des Restwertes ergeben hätte.
2. Hatte der Sachverständige unter Verzicht auf Ermittlungen des Restwertes auf dem regionalen Markt einen offenkundig zu niedrigen Restwert durch angebliche Anfrage überregionaler Angebote über Restwertbörsen angegeben, ist seine Haftung begründet. Die über Restwertbörsen erzielbaren Erlöse können durch Auswertung seinerzeitiger historischer Datensätze gewonnen werden.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Saarbrücken, Urt. v. 18.3.2016 – 13 S 171/15
Sachverhalt
Die klagende Haftpflichtversicherung macht die Verurteilung des beklagten Sachverständigen wegen fehlerhafter Restwertermittlung im Rahmen einer Kfz-Schadensbegutachtung geltend. Die Bekl. wurde nach einem Verkehrsunfall mit der Erstellung eines Kfz-Gutachtens beauftragt. Die Bekl. ermittelte in ihrem Schadensgutachten Reparaturkosten von 12.297,05 EUR netto, einen Wiederbeschaffungswert von 11.200 EUR und einen Restwert von 150 EUR. Die für die Folgen des Verkehrsunfalls eintrittspflichtige Kl. regulierte gegenüber dem Geschädigten, der sein Fahrzeug zu einem Restwert von 150 EUR veräußert hatte, den Schaden. Der Geschädigte hat etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber der Bekl. wegen fehlerhafter Ermittlung des Restwertes wegen des Verzichts der Bekl. auf Einholung von Restwertangeboten auf dem regionalen Markt zur Ermittlung des Restwertes abgetreten.
Mit der Klage hat die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Leistung von Schadensersatz i.H.v. 3.500 EUR nebst Zinsen gefordert. Sie hat behauptet, auf dem maßgeblichen regionalen Markt sei dieser Betrag erzielbar gewesen. Die Bekl. hat angeführt, den Restwert durch Anfrage bei einer Restwertbörse ermittelt zu haben, was nicht zu beanstanden sei.
Das AG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kl. habe eine fehlerhafte Restwertermittlung nicht dargelegt.
Die Berufung der Kl., die ihren Klageanspruch weiter verfolgt, hatte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, in dem die historischen Datensätze von Restwertbörsen für den Zeitpunkt der Ermittlung des Restwertes ausgewertet wurden, Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Berufung der Kl. hat Erfolg. Der Kl. steht gegen die Bekl. ein Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB im beantragten Umfang zu."
1. Im Ansatz zutreffend ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die Kl. in den Schutzbereich des zwischen der Bekl. und dem Geschädigten abgeschlossenen Werkvertrages über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens einbezogen ist und Schadensersatz beanspruchen kann, wenn die Bekl. vertragliche Pflichten verletzt hat, die auch zugunsten der Kl. bestehen. Dies entspricht auch der einhelligen Auffassung in der Rspr. (BGH, st. Rspr.; vgl. Urt. v. 13.1.2009 – VI ZR 205/08, VersR 2009, 413 m.w.N.; Saarl. OLG SP 2015, 49; OLG Köln VersR 2004, 1145).
2. Zu Recht wendet sich die Berufung gegen die Annahme des Erstrichters, die Bekl. habe keine zugunsten der Kl. bestehende vertragliche Pflicht aus dem Gutachtenauftrag verletzt.
a) In der höchstrichterlichen Rspr. ist anerkannt, dass die Ermittlung des Restwertes, also des Betrags, den der Geschädigte im Rahmen der Ersatzbeschaffung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bei einem seriösen Gebrauchtwagenhändler im örtlichen Bereich oder bei dem Kraftfahrzeughändler seines Vertrauens bei Inzahlunggabe des beschädigten Fahrzeugs erzielen kann, eine aus dem Auftrag zur Schadensbegutachtung resultierende Pflicht des Kfz-Sachverständigen darstellt, die (auch) dem Schutz des gegnerischen Haftpflichtversicherers dient (vgl. nur BGH a.a.O.).
b) Diese Pflicht hat die Bekl. vorliegend verletzt. Denn die Restwertermittlung durch die Bekl. war mangelhaft und damit als Grundlage der Schadensabrechnung ungeeignet.
aa) Dabei kann dahinstehen, ob die Restwertermittlung im Streitfall bereits deshalb fehlerhaft war, weil die Bekl. auf die Einholung von Restwertangeboten auf dem für den Geschädigten maßgeblichen regionalen Markt ganz verzichtet hat (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15.6.2010 – VI ZR 232/09, VersR 2010, 1197; v. 13.1.2009 a.a.O. und v. 13.10.2009 – VI ZR 318/08, VersR 2010, 130; BGHZ 143, 189; OLG Celle SP 2006, 434; Diehl, zfs 2009, 329).
bb) Denn der von der Bekl. ermittelte Restwert von 150 EUR ist auch unter Zugrundelegung der Methode der Bekl. (ausschließlich überregionale Abfrage über Restwertbörse) offenkundig unrichtig. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den unmissverständlichen, widerspruchsfreien, den Sachverhalt erschöpfenden und in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen. Dieser hat unter Zugrundelegung von entsprechenden historischen Datensätzen bekannter Restwertbörsen für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Restwert des Fahrze...