VVG § 28; AKB 2014 E.1.3. E.6.1
Leitsatz
Ein VN, der behauptet, einen ihm einmal bekannten Einbruchsdiebstahlschaden vergessen zu haben, muss dieses Vergessen beweisen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Dortmund, Urt. v. 17.3.2016 – 2 O 223/15
Sachverhalt
Der Kl. verlangt aus einer bei der Bekl. gehaltenen Teilkaskoversicherung eine Entschädigung wegen eines angeblichen Einbruchsdiebstahls in seinen Pkw. In dem ihm von der Bekl. übersandten Schadenanzeigeformular war danach gefragt, ob er selbst in den letzten 5 Jahren bei einem VR als VN oder Anspruchsteller Ansprüche wegen Vorschäden angemeldet habe. Der Kl. gab daraufhin einen Haftpflichtschaden und einen Sturmschaden an, verschwieg aber einen 2 ½ Jahre zurückliegenden Einbruchsdiebstahlschaden, der einen anderen Pkw und einen anderen VR betraf. Als die Bekl. deswegen Leistungen ablehnte, berief er sich darauf, er habe vor Ausfüllen der Schadenanzeige seine Unterlagen durchgesehen und auch bei dem (anderen) VR angerufen, jedoch keine Hinweise auf den früheren Versicherungsfall erhalten.
2 Aus den Gründen:
" … Der Kl. hat keinen Anspruch gegen die Bekl. auf Zahlung von Versicherungsleistungen wegen eines Teilediebstahls des versicherten Fahrzeugs aus § 1 S. 1 VVG i.V.m. dem zwischen den Parteien bestehenden Kraftfahrtversicherungsvertrag i.V.m. A.2.1.1 AKB 2014 i.V.m. A.2.2.2 AKB 2014. …"
Wegen der unstreitigen Nichtangabe des ähnlich gelagerten Versicherungsfalls vom 26.8.2012 in der Schadensanzeige vom 5.2.2015 fällt dem Kl. eine nachvertragliche arglistige Obliegenheitsverletzung nach E.6.1 AKB 2014 i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG zur Last. Durch die Nichtangabe des Versicherungsfalls vom 26.8.2012 hat der Kl. gegen seine Auskunfts-/Aufklärungspflicht nach E.1.3 AKB 2014 verstoßen.
Nach E.1.3 AKB 2014 ist der VN verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Auf Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses ist wahrheitsgemäß und vollständig zu antworten. Nach E.6.1 AKB 2014 i.V.m. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG hat eine Verletzung der in E.1.3 AKB 2014 geregelten Aufklärungsobliegenheit bei einem vorsätzlichen Verstoß Leistungsfreiheit des VR zur Folge. Abweichend von § 28 Abs. 2 VVG bleibt der VR bei Obliegenheitsverletzungen zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung der Leistungspflicht des VR ursächlich ist (§ 28 Abs. 3 S. 1 VVG, E.6.1 AKB 2014). Dies gilt sowohl bei grob fahrlässigem als auch bei vorsätzlichem Verhalten. Nur bei arglistigem Verhalten des VN tritt auch bei “folgenlosen’ Obliegenheitsverletzungen Leistungsfreiheit für den VR ein (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG, E.6.1 AKB 2014).
Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich in erster Linie nach den von den VR gestellten Fragen der Schadensanzeigeformulare. Bereits die Nichtbeantwortung/Falschbeantwortung einer Frage ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf jeden Umstand, der zur Aufklärung des Tatbestands dienlich sein kann, soweit dem VN nichts “Unbilliges zugemutet’ wird (BGH NJW 2015, 949, 950). Dazu gehören vor allem auch Umstände, die lediglich Anhaltspunkte für oder gegen das Vorliegen eines Versicherungsfalls liefern können. Der VN hat daher auf entsprechendes Verlangen auch solche Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren, wenn die Erfüllung der Auskunftsobliegenheit eigenen Interessen widerstreitet, weil sie dem VR erst ermöglicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen. …
Bei der hier streitgegenständlichen Frage nach vorangegangenen Versicherungsfällen handelt es sich um eine Frage, die die Redlichkeit des VN überprüfbar machen soll und somit in einem inneren Zusammenhang mit der Überprüfung des Vorliegens des Versicherungsfalls liegt. An der Zulässigkeit der Frage bestehen daher keine Bedenken. Diese Frage hat der Kl. – unstreitig – objektiv falsch beantwortet, indem er den Kaskoschaden aus dem Jahr 2012 bei der … Versicherung gegenüber der Bekl. nicht angegeben hat.
Bei einer Obliegenheitsverletzung wegen Aufklärungspflichtverletzung gehört bereits der subjektive Umstand der Kenntnis von der mitteilungspflichtigen Tatsache zum objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung. Die Kenntnis der mitteilungspflichtigen Tatsache ist daher grds. vom VR zu beweisen (BGH BeckRS 2008, 01658). Sofern jedoch eine Kenntnis des VN von den mitteilungspflichtigen Tatsachen – wie hier – unstreitig einmal gegeben war, wird das Fortbestehen der Kenntnis zum Zeitpunkt der streitigen Aufklärungspflichtverletzung vermutet, mit der Folge, dass der VN nach dem Motto “einmal gewusst – immer gewusst’ das Entfallen der einmal vorhanden gewesenen Kenntnis zu beweisen hat (vgl. BGH zfs 2007, 215).
Der Kl. konnte zur Überzeugung des Gerichts nicht den Beweis des Vergessens bzw. der entfallenen Kenntnis des nichtangezeigten Versicherungsfalls aus 2012 beim Ausfüllen des Schadensanzeigeformulars führen. Nach § 286 Abs. 1 ZPO ist der Beweis erst geführt, wenn das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnah...