StVO § 3; OWiG § 10
Leitsatz
Der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankommt. Es ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschritten wird.
OLG Hamm, Beschl. v. 10.5.2016 – 4 RBs 91/16
Sachverhalt
Das OLG Hamm hat die Rechtsbeschwerde des Betr. als unbegründet verworfen.
2 Aus den Gründen:
" … Ergänzend zur Antragsschrift der GenStA merkt der Senat an, dass die Verurteilung wegen vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handelt vorsätzlich, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und bewusst dagegen verstoßen hat. Der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankommt. Es ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschritten wird (KG Berlin, Beschl. v. 25.3.2015 – 3 Ws (B) 19/15, 3 Ws (B) 19/15 – 162 Ss 4/15, Rn 5 juris m.w.N.; vgl. auch: OLG Hamm NZV 2007, 263 und Krenberger, jurisPR-VerkR 15/2015 Anm. 3). So verhält es sich hier. Dem Betr. war die innerörtliche Geschwindigkeit aufgrund der im angefochtenen Urt. festgestellten Beschilderung bekannt. Er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h – ein anderes Fahrzeug überholend – sogar um deutlich mehr als 50 %. Näherer Feststellungen zum Fahrzeugtyp bedarf es – entgegen der Rechtsbeschwerde – nicht, da eine derartige Geschwindigkeitsüberschreitung immer anhand der o.g. Merkmale erkennbar ist. … "
3 Anmerkung:
Es gibt unter den OLG zwei Ansätze für die Bejahung vorsätzlichen Verhaltens bei Geschwindigkeitsverstößen. Zum einen den prozentualen Ansatz (40 %-Grenze z.B. OLG Celle zfs 2014, 350; i.Ü. vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.4.2013 – 2 Ss OWi 349/13; KG Berlin NZV 2004, 598; SVR 2015, 353), zum anderen die Bezugnahme auf die km/h-Differenz (OLG Koblenz zfs 2013, 470). Bei Geschwindigkeiten über 100 km/h ist der prozentuale Ansatz ein wenig betroffenengünstiger, wenngleich man bei geringeren Geschwindigkeiten ohnehin bei der Bemerkbarkeit ansetzen könnte. Wichtig war vorliegend, dass sich der Betr. innerorts befand und damit die dort geltende Geschwindigkeit als bekannt galt. Bei Verstößen außerorts muss noch die Problematik des erkennbaren Verkehrszeichens beachtet werden (OLG Koblenz zfs 2014, 530). Das Indiz spricht dann gegen den Betr. und der Verteidiger muss entsprechenden Vortrag erbringen, um das Indiz zu entkräften.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 11/2016, S. 650 - 651