BGB § 843 Abs. 1 § 1619

Leitsatz

Auch das noch im Haushalt der Eltern lebende, volljährige und berufstätige Kind kann unter dem Aspekt vermehrter eigener Bedürfnisse, § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB, einen Anspruch auf Ersatz seines Haushaltsführungsschadens geltend machen.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.6.2017 – 4 U 122/16

Sachverhalt

Der Kl. ließ sich in der Nacht eines von ihm aufgesuchten Volksfestes von dem Bekl. zu 1) in dessen Fahrzeug mitnehmen, um nach Hause zu gelangen. Auf dem Heimweg verlor der Bekl. zu 1) infolge überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über sein Fahrzeug, kam in einer Linkskurve von der Fahrbahn ab und geriet auf eine Böschung. Das Fahrzeug wurde in die Luft geschleudert und landete in einer Baumkrone. Nach einigen Minuten stürzte es aus 4 Metern Höhe in die Tiefe und blieb auf der Fahrerseite liegen. Der Kl., der Hinter dem Fahrer saß und die weiteren Insassen des Kfz wurden schwer verletzt. Ein beim Bekl. zu 1) um 2.53 Uhr durchgeführter Blutschnelltest ergab eine BAK von 0,7 Promille.

Der vor allem im Bereich der Wirbelsäule verletzte Kl. bewohnte im Unfallzeitpunkt in dem Hausanwesen seiner Eltern ein 14 qm großes Zimmer mit Küchen- und Badmitbenutzung.

Mit der Klage hat er u.a. die Verurteilung des Bekl. zu 1) und dessen Haftpflichtversicherung, der Bekl. zu 2), zum Ersatz des ihm nach seiner Darstellung entstandenen Haushaltsführungsschadens verfolgt, der ihm in der Zeit ab dem Unfalltag, dem 31.7.2010 bis zum 31.12.2013, erwachsen sei.

Das LG ist nach Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass der Kl. in dem Hausanwesen seiner Eltern einen eigenen Haushalt geführt hat und hat unter Zugrundelegung einer 100 %-igen Einschränkung in der Haushaltsführung bis zum 31.12.2011 und unter Ansatz eines Stundensatzes von 10 EUR dem Kl. einen Ersatzanspruch für den entstandenen Haushaltsführungsschaden zuerkannt.

Die Berufung der Bekl. wendet sich gegen die Annahme des LG, der Kl. habe einen eigenen Haushalt geführt, weil er nach § 1610 BGB zur Mithilfe in dem Haushalt der Eltern verpflichtet gewesen sei. Da der Sachverständige eine Einschränkung der Fähigkeit zur Führung der Haushaltstätigkeit von allenfalls 50 % angenommen habe, sei eine Herabsetzung des Haushaltsführungsschadens angezeigt.

Die Berufung der Bekl. führte zur Herabsetzung des Haushaltsführungsschadens.

2 Aus den Gründen:

" … 4. Der Kl. hat Anspruch auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens i.H.v. 4.026 EUR."

a. In dem Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, liegt ein ersatzfähiger Schaden. Er stellt sich je nachdem, ob die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt oder den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diente, entweder als Erwerbsschaden i.S.d. § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder als Vermehrung der Bedürfnisse i.S.d. § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB dar. In dem einen wie dem anderen Fall ist der Schaden messbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt nicht mehr ausführbaren oder nicht mehr zumutbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (dann Erstattung des Bruttolohns) oder, wenn etwa Familienangehörige oder Freunde einspringen, gezahlt werden müsste (dann Orientierung am Nettolohn; vgl. BGHZ 86, 372, 375 ff.; 104, 113, 120 f.). Zu diesem Zweck ist festzustellen, für wie viel Stunden nunmehr eine Hilfskraft benötigt wird oder – bei anderweitigem Ausgleich des Hausarbeitsdefizits – benötigt würde (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1989 – VI ZR 247/88, VersR 1989, S. 1273, 1274).

Der Geschädigte hat zunächst darzulegen und ggf. zu beweisen, welche Arbeitsleistung er im Haushalt ohne den Unfall tatsächlich erbracht hätte. Sodann ist die Arbeitszeit festzusetzen, die objektiv für die Fortsetzung der Haushaltsführung im bisherigen Umfang erforderlich ist (vgl. KG, Urt. v. 5.6.2008 – 12 U 188/04, juris, Abs. 31).

b. Die Voraussetzungen für die Erstattung eines Haushaltsführungsschadens liegen vor. Auch in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Geschädigte noch im elterlichen Hausanwesen wohnt, kann ein Haushaltsführungsschaden zugesprochen werden (dem Grunde nach auch anerkannt durch Saarländisches OLG Saarbrücken, Urt. v. 31.3.2009 – 4 U 26/08 – 10, juris, Rn 93).

Zwar kann das im Haushalt der Eltern wohnende, volljährige und berufstätige Kind keinen Haushaltsführungsschaden nach § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Erwerbsschadens geltend machen, da das Kind, welches seine volle Arbeitskraft für eine eigene entgeltliche Berufstätigkeit einsetzt, keine Verpflichtung zur Mitarbeit gem. § 1619 BGB mehr trifft (vgl. Doukoff, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 1. Aufl. 2016, § 843 BGB, Rn 127). Jedoch kann dies unter dem Gesichtspunkt vermehrter eigener Bedürfnisse, § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB Ansprüche geltend machen (so Saarländisches OLG, a.a.O., wo zwar kein Anspruch mit Blick auf Unterhaltsleistungen für andere Familienmitglieder aber ein solcher aufgrund vermehrter eigener Bedürfnisse zugesprochen wurde; Delank, NZV 2002, S. 392, 393; Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 8. Aufl. 2013, S. 32; a.A. ohne nähere Begründung Greger/Zwickel, Haftung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge