Das Urteil des BGH klärt eine seit vielen Jahren in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage.
I. Gegenstandswert im Innen- und im Außenverhältnis unterschiedlich
Die Ausführungen des BGH betreffen nur die Ermittlung des Gegenstandswertes bei der Berechnung der Anwaltskosten im Rahmen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Schädiger.
Für das Innenverhältnis zwischen dem Anwalt zu seinem Auftraggeber ist demgegenüber der Inhalt des Auftrags und die im Rahmen des Auftrags entfaltete Tätigkeit des Rechtsanwalts maßgebend und deshalb für die Ermittlung des Gegenstandswertes heranzuziehen. Im Regelfall wird der Geschädigte seinen Rechtsanwalt mit der Regulierung des Gesamtschadens beauftragen. Dabei werden zum Zeitpunkt der Entgegennahme der Information, die bereits die Geschäftsgebühr auslöst (siehe Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG), die Höhe der Forderung und auch die im Rahmen des Mandats vorgerichtlich geltend zu machende Art des Schadensersatzanspruchs (z.B. Reparatur oder Ersatzbeschaffung) noch gar nicht feststehen. So wird sich meist erst im Laufe des Mandats herausstellen, dass das Unfallfahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, was auf die Art des geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs Einfluss hat. Auch die Höhe des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes wird vielfach erst mit sachverständiger Hilfe ermittelt werden können.
Dies führt dann im Regelfall dazu, dass sich die für die vorgerichtliche Regulierung des Unfallschadens angefallene Geschäftsgebühr nach dem Gesamtschadensbetrag berechnet. Stellt sich im Laufe der anwaltlichen Tätigkeit heraus, dass der Mandant dann von der ihm zustehenden Ersetzungsbefugnis Gebrauch macht und von dem Schädiger den Wiederbeschaffungsaufwand verlangt, bleibt nach Auffassung des BGH im Falle der Berechtigung dieser Schadensersatzforderung der abzuziehende Restwert des Fahrzeugs im Erstattungsverhältnis gegenüber dem Schädiger unberücksichtigt.
II. Hinweis des Rechtsanwalts
Der Rechtsanwalt sollte deshalb seinen Mandanten bereits zu Beginn des Mandatsverhältnisses darauf hinweisen, dass selbst bei voller Haftung des Schädigers für den Unfallschaden nicht notwendig auch von diesem sämtliche Anwaltskosten zu erstatten sind.
III. Noch nicht geklärte Fallgestaltungen
Nicht entschieden hat der BGH hier den Fall, in dem der Geschädigte dem Schädiger den Restwert in Form des beschädigten Fahrzeugs zur Verfügung stellt und den ungekürzten Wiederbeschaffungswert verlangt. In einem solchen Fall könnte den zu erstattenden Anwaltskosten der volle Wiederbeschaffungswert – also ohne Abzug des Restwertes – zugrunde gelegt werden. Der Rechtsanwalt sollte deshalb seinen Mandanten darauf hinweisen, dass er bei dieser Verfahrensweise möglicherweise die Anwaltskosten vom Schädiger nach einem höheren Gegenstandswert erstattet bekommt. Zu einer Erhöhung des Gegenstandswertes im Rahmen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann es auch dann führen, wenn der Geschädigte statt der von ihm am Ende geltend gemachten Kosten der Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs im Rahmen seiner Ersetzungsbefugnis auch die höheren Kosten einer Reparatur verlangt und sein Rechtsanwalt auch diesbezüglich tätig wird.
Die Entscheidung des BGH kann somit dazu führen, dass künftig die Schwerpunkte bei der außergerichtlichen Regulierung eines Verkehrsunfalls anders gesetzt werden, um zu erreichen, dass der Mandant seine Anwaltskosten möglichst im vollen Umfang vom Schädiger ersetzt erhält.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 11/2017, S. 646 - 649