BGB § 249 Abs. 1 S. 1; VV RVG Nr. 2300

Leitsatz

1. Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältnis zum Schädiger grds. der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht.

2. Verlangt der Geschädigte vom Schädiger im Rahmen seiner ihm durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB eingeräumten Ersetzungsbefugnis den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) für ein beschädigtes Fahrzeug, dann richtet sich der für den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert nach dem Wiederbeschaffungsaufwand und nicht nach dem ungekürzten Wiederbeschaffungswert.

BGH, Urt. v. 18.7.2017 – VI ZR 465/16

Sachverhalt

Die Kl. hat die Bekl. vor dem AG Kulmbach auf Erstattung weiterer vorgerichtlicher Anwaltskosten nach einem im Übrigen regulierten Verkehrsunfall, für den die Bekl. allein haftet, in Anspruch genommen. Der Wiederbeschaffungswert des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs der Kl. errechnete sich auf 23.697,48 EUR, wobei das Fahrzeug noch einen Restwert von 16.080 EUR hatte. Die durch ihren Rechtsanwalt vertretene Kl. hat bei der Bekl. den Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. 7.617,48 EUR (Wiederbeschaffungswert von 23.697,48 EUR abzgl. Restwert i.H.v. 16.080 EUR) sowie weitere durch das Schadensereignis verursachte Kosten i.H.v. 1.709,96 EUR geltend gemacht und von der Bekl. ersetzt erhalten. Dabei hat die Bekl. auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Kl. wie folgt bezahlt:

 
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 9.327,44 EUR) 725,40 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe 745,40 EUR

Der Gegenstandswert von 9.327,44 EUR setzt sich aus dem Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. 7.617,48 EUR und den weiteren Kosten i.H.v. 1.709,96 EUR zusammen.

Die Kl. ist hingegen der Auffassung, die Anwaltskosten seien aus einem Gegenstandswert von 25.407,44 EUR zu berechnen, der sich aus dem Wiederbeschaffungswert – ohne Abzug des Restwertes – und den weiteren Kosten zusammensetze. Deshalb stünden ihr folgende außergerichtliche Anwaltskosten zu:

 
1,3 Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 25.407,44 EUR) 1.121,90 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Summe 1.141,90 EUR

Den sich hieraus ergebenden Restbetrag von 396,50 EUR hat die Kl. vor dem AG Kulmbach eingeklagt. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das LG Bayreuth die Klage unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils abgewiesen. Die vom BG zugelassene Revision der Kl. hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

[4] "… I. Das BG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Gegenstandswert, der der Bemessung der Höhe der zu ersetzenden Rechtsanwaltskosten zugrundezulegen sei, der berechtigten Schadensersatzforderung gegenüber dem Schädiger, also dem zu ersetzenden Schaden entspreche. Auf das Innenverhältnis zwischen der Geschädigten und ihrem Rechtsanwalt und auf den Umstand, dass der Rechtsanwalt den Restwert zu ermitteln habe, komme es nicht an. Im vorliegenden Fall habe von Anfang an kein Schaden in Höhe des Restwerts des Fahrzeugs, das die Kl. behalten habe, bestanden, weshalb sie als Hauptforderung auch nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des vorhandenen Restwerts geltend gemacht habe."

[5] II. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Zu Recht hat das BG den Gegenstandswert, der der Bemessung der Höhe der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten zugrundezulegen ist, unter Abzug des Restwerts des Unfallfahrzeugs bestimmt.

[6] 1. Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grds. auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Nach der st. Rspr. des BGH (VersR 2006, 521 = NJW 2005, 1112 VersR 2005, 558, 559; BGHZ 127, 348, 350; NJW 2004, 444, 446) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.

[7] Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grds. nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist (BGH NJW 2005, 1112 = VersR 2005, 558, 559; BGH NJW 2008, 1888, Rn 13; BGH NJW 1970, 1122, 1123). Die von einem – einsichtigen – Geschädigten für vertretbar gehaltenen Schadensbeträge sind demgegenüber nicht maßgeblich (BGH NJW 1970, 1122, 1123). Denn Kosten, die dadurch entstehen, dass dieser einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens...

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