StVO § 42 Abs. 2 Anl. 3 Nr. 12
Leitsatz
Schrittgeschwindigkeit i.S.v. § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. Nr. 12 der dazu erlassenen Anlage 3 ist eine solche von höchstens 10 km/h.
OLG Naumburg, Beschl. v. 21.3.2017 – 2 Ws 45/17
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 150 EUR verurteilt. Gemessen wurden 42 km/h in einer Straße, die als verkehrsberuhigter Bereich gilt, durch Zeichen 325.1 ist angeordnet, dass Fahrzeugführer nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen.
Zum Rechtsfolgenausspruch hat das AG ausgeführt: Im konkreten Fall handele es sich um eine verhältnismäßig breite Straße, wo zumindestens zwei Fahrzeuge, auch Lkw, aneinander vorbei fahren könnten und dürften. Die Straße sei kerzengerade und gut einzusehen. Angesichts dieser Umstände sei eine Geschwindigkeit von 15 km/h ungefährlich und geeignet, Unfälle mit Sicherheit zu vermeiden. Aus diesem Grunde betrage die Schrittgeschwindigkeit hier maximal 15 km/h, diese habe der Betroffene um 27 km/h überschritten, so dass die Regelsanktion (Nr. 11.3.5 BKat) eine Geldbuße von 100 EUR sei. Wegen einer Voreintragung habe das Gericht diese auf 150 EUR erhöht.
Die StA vertritt in ihrer Rechtsbeschwerde die Auffassung, dass eine Geschwindigkeit von 15 km/h nicht als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden könne. Schrittgeschwindigkeit betrage höchstens 11 km/h, diese habe der Betroffene um 31 km/h überschritten, weshalb das Gericht von einer Regelgeldbuße in Höhe von 160 EUR und von einem Regelfahrverbot von einem Monat (Nr. 11.3.6 BKat) hätte ausgehen müssen.
Das OLG Naumburg hat auf die Rechtsbeschwerde der StA das Urteil des AG Weißenfels aufgehoben, abgesehen von den Feststellungen zur Fahrereigenschaft und zur gefahrenen Geschwindigkeit, und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Das Rechtsmittel hat Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des AG, Schrittgeschwindigkeit sei angesichts der örtlichen Gegebenheiten hier eine solche von bis zu 15 km/h, nicht. Eine Geschwindigkeit von mehr als 10 km/h kann nach dem Wortsinn nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden. Der Begriff “Schrittgeschwindigkeit' kann auch nicht je nach den örtlichen Gegebenheiten oder dem Grad der Gefährdung unterschiedliche Geschwindigkeiten bezeichnen. Wäre solches vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, hätte er nicht den Begriff Schrittgeschwindigkeit gewählt, sondern etwa die “den Umständen entsprechend ungefährliche Geschwindigkeit' angeordnet."
Nach der Rspr. gilt teilweise eine Geschwindigkeit von 4 bis zu 7 km/h als Schrittgeschwindigkeit (Brandenburgisches OLG, DAR 2005, 570; OLG Düsseldorf NZV 1993, 158; OLG Köln VRS 68, 382), das OLG Hamm nennt eine Spanne von 4 bis 10 km/h (VRS 6, 222). Das AG Leipzig (DAR 2005, 703) hält eine Geschwindigkeit von 15 km/h noch für Schrittgeschwindigkeit. Zur Begründung führt es im Anschluss an Hentschel u.a. (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Rn 181 zu § 42 StVO) aus, dass eine bestimmte Geschwindigkeit zwischen 4 und 10 km/h nicht als Grenzwert in Betracht komme, denn eine solche wäre mittels Tacho nicht zuverlässig messbar, außerdem würden Radfahrer, die Fußgängergeschwindigkeit fahren, unsicher werden und zu schwanken beginnen. Der Senat ist der Auffassung, dass das höchste vom OLG Hamm als Schrittgeschwindigkeit bezeichnete Tempo von 10 km/h gerade noch als solche angesehen werden kann. Wer sich noch schneller fortbewegt, geht bzw. schreitet nicht, sondern läuft. Mit dem vom AG zugrunde gelegten Tempo von 15 km/h wäre etwa ein Teilnehmer des Berlin Marathon 2016 mit einer Zeit von ca. 2 Stunden und 50 Minuten unter den besten 4 % der 35.999 Läufer, die das Ziel erreicht haben, gelandet. Eine solche Geschwindigkeit lässt sich nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit definieren.
Mit einer Höchstgrenze von 10 km/h ist auch den Hinweisen von Hentschel u.a. hinreichend Rechnung getragen. Eine Überschreitung von 10 km/h lässt sich am Autotacho feststellen, auch kann jeder Autofahrer dieses Tempo problemlos einhalten, wenn das Standgas nicht zu hoch eingestellt ist. Soweit Radfahrer bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h unsicher werden und zu schwanken beginnen, sind sie volltrunken und müssen ihr Fahrrad deshalb schon zur Vermeidung einer Strafbarkeit nach § 316 StGB schieben. … “
zfs 11/2017, S. 654 - 655