Auf dem Weg zur Arbeit eine Zigarette nebst Kaffee genießen oder aber das Mittagessen auf den Fahrersitz verlegen; solange es man schafft, noch unauffällig am Straßenverkehr teilzunehmen, kann man auch noch versuchen, dem Herrn Polizeibeamten zuzuwinken. Mangels Verkehrsverstoß bewegt man sich auf der sicheren Seite; sicher allerdings nur im Hinblick auf den Verkehrsverstoß, im Hinblick auf den Straßenverkehr sicherlich nicht.
Ablenkungen im Straßenverkehr gab es immer und wird es auch immer geben. Wenn früher ein Fahrzeug aus ungeklärter Ursache von der Straße abkam, wurde reflexartig damit argumentiert, der Fahrer müsse am Radio herumhantiert haben. Heute ist es das Mobiltelefon gewesen, da ist sich Volkes Meinung sicher. Dass die Nutzung eines Mobiltelefons ablenkt, ist unbestritten. Der Gesetzgeber hat daher unter § 23 Abs. 1a StVO die Nutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt untersagt, es sei denn, das Fahrzeug steht und der Motor ist ausgeschaltet. Das Telefon muss dabei aufgenommen oder gehalten werden. Nachdem das Verbot normiert wurde, mussten sich plötzlich Gerichte damit herumschlagen, ob man sich nicht rasiert hat oder eine Kühlkompresse zur Behandlung von Zahnschmerzen nutzte. Gerichte mussten klären, ob es denn nun ein Mobiltelefon oder doch ein mp3-Player war. Zudem: Wollte der Fahrer das Telefon nur aufheben und zur Seite legen oder tatsächlich nutzen? Leichter ist es wohl nur für die Verteidigung geworden. Dies dürfte auch die schier unüberschaubare Anzahl von Entscheidungen zu § 23 Abs. 1a StVO zeigen.
Nun endlich hat der Gesetzgeber reagiert. Im Sommer dieses Jahres wurde vom BMVI eine Ausweitung des Verbotes entworfen, die den Versuch unternimmt, jegliche nur denkbare technologische Ablenkung zu verbieten. Nur wenige Tage vor der Bundestagswahl wurde die Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO durch den Bundesrat verabschiedet. Dabei wurde vom alleinigen Merkmal des Aufnehmens und Haltens abgerückt. Nun werden auch fest verbaute Gerät umfasst, so eine unangepasst lange Blickzuwendung erfolgt. Zeitgleich wurde die Grundregelgeldbuße erhöht und auch die Möglichkeit eines Fahrverbots geschaffen.
Diese Zeilen sollen keineswegs so verstanden werden, als dass die Diskussionen um die Frage der Ablenkung durch mobile und andere technische Geräte unnötig wären. Unbestritten stellen Ablenkungen ein erhebliches Gefährdungspotential dar und das Mobiltelefon ist nun mal unser täglicher Begleiter geworden. Dass die Ablenkung nicht nur durch das Aufnehmen oder Halten eines Gerätes entsteht, sondern auch durch die Nutzung stationärer Geräte, hat der Gesetzgeber zudem richtig erkannt. Allerdings: Ob Brillen mit Projektionsmöglichkeiten oder aber Smartwatches, wir sind eigentlich schon einen Schritt weiter. Die Kommunikations- nebst Mediennutzungsmöglichkeiten wandeln sich im Fahrzeug immer weiter dahin, dass gar kein Gerät aufgenommen oder gehalten oder aber tatsächlich das Display berührt werden muss. Mit der jetzigen Änderung verbietet man zwar viel mehr und kommt ein wenig auf den aktuellen Stand der Technik. Die Diskussionen vor Gerichten werden aber nicht enden und in Anbetracht der härteren Sanktionen nur zunehmen.
Man kann es sich auch einfach machen und auch hier auf das (voll-) automatisierte Fahren hoffen. Vielleicht kann dann der Fahrer machen, was er will. Aber abgesehen davon, dass man durchaus Zweifel daran haben kann, ob wirklich die Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer ein (voll-)automatisiertes Fahren möchte (es gibt durchaus noch viele Verkehrsteilnehmer, die gern und eigenverantwortlich Auto fahren), dürfte bei allem technischen Fortschritt der Weg noch steinig und weit sein.
Bei all den Verschärfungs- und Ausweitungsmöglichkeiten des Verbotes sollte man sich vor Augen führen, dass Ablenkungsmöglichkeiten immer bleiben werden und man nie den Idealzustand ohne jegliche Ablenkung erreichen wird, wenn nicht der Fahrer "mitgenommen" wird. Über immer mehr Verbote und eine höhere Kontrolldichte wird dies nicht zu erreichen sein. Der präventive Weg muss gestärkt werden. Nur wenn der Fahrer das Gefährdungspotential einsieht, wird er sein Verhalten ändern und die Verkehrssicherheit steigt. Initiativen wie zuletzt die Aktion #FingervomHandy des BMVI und des DVR sind der richtige Weg.
Autor: Stefan Herbers
RA Stefan Herbers, FA für Verkehrsrecht und für Arbeitsrecht, Oldenburg
zfs 11/2017, S. 601