I. Befreiung von der Schutzhelmpflicht für Motorradfahrer
§ 21a Abs. 2 StVO verlangt vor allem von Kraftradfahrern und -mitfahrern, während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm zu tragen. Die intendierte Schutzwirkung wird nur durch das Tragen eines geeigneten Helmes sichergestellt, auch wenn keine amtliche Genehmigung für Helme mehr erforderlich ist. Eine Ausnahme von der Helmpflicht kann im Wege einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 S. Nr. 5b und S. 3 StVO erteilt werden, beispielsweise im Fall einer ernsthaften Gesundheitsbeschädigung infolge des Helmtragens. Mit einer solchen Konstellation musste sich das BVerwG Anfang des Jahres 2017 auseinandersetzen. Der Kläger beantragte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 S. 1 Nr. 5b StVO zur Befreiung von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelmes während der Fahrt mit dem Motorrad (§ 21a Abs. 2 S. 1 StVO) und legte hierzu die Bescheinigung eines Facharztes für Orthopädie vor. Die Behörde lehnte den Antrag ab; die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Der Senat stellte klar, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Befreiung eines Motorradfahrers von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde steht. Das Ermessen wird nicht ohne Weiteres auf Null reduziert, wenn der Motorradfahrer die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung geforderte ärztliche Bescheinigung vorlegt, dass ihm das Tragen eines Schutzhelmes aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist.
II. Wirksamkeit von Verkehrszeichen nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz
Alle durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen sind keine Rechtsnormen, sondern Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG). Die Bekanntgabe erfolgt grundsätzlich durch die Aufstellung des Verkehrszeichens. Der so genannte Sichtbarkeitsgrundsatz besagt, dass der Regelungsgehalt von Verkehrszeichen sofort erkennbar sein muss, da Verkehrszeichen auch sofort befolgt werden müssen (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO). Verkehrszeichen müssen vor diesem Hintergrund so aufgestellt oder angebracht werden, dass ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon mit einem raschen und beiläufigen Blick ihren Regelungsgehalt erfassen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern Verkehrszeichen ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer unabhängig davon, ob dieser das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht.
Im ruhenden Verkehr sind an die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen grundsätzlich niedrigere Anforderungen zu stellen als an solche, die den fließenden Verkehr betreffen. Diese Annahme hat das BVerwG in einem Abschleppfall im Jahr 2016 bestätigt. Der Kläger beklagte einen Bescheid, mit dem ihm Abschleppkosten auferlegt worden waren. Er stellte die Rechtmäßigkeit des Abschleppens infrage und bestritt, dass die Halteverbotszeichen hinreichend sichtbar aufgestellt waren. Die Vorinstanzen, die den Bescheid für rechtmäßig hielten, waren der Auffassung, dass derjenige, der ein Kraftfahrzeug abstellt, auch ohne Anlass hierfür grundsätzlich verpflichtet sei, sich zu vergewissern, ob in der näheren Umgebung entsprechende Verkehrszeichen aufgestellt seien. Das ging dem Senat zu weit: Zu einer Nachschau ist der Verkehrsteilnehmer nur verpflichtet, wenn hierfür nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein besonderer Anlass besteht. Die Sache wurde an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.
III. Sachliche Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde zum Erlass verkehrsbezogener Anordnungen auf Grundlage einer landesrechtlichen polizeilichen Generalklausel
Im Jahr 2016 hatte sich das BVerwG mit einer von der Ortspolizeibehörde erlassenen Anordnung, Warnbaken zu entfernen, auseinanderzusetzen. Der Kläger hatte diese auf öffentlichem Straßengrund, der in seinem Eigentum steht, aufgestellt. Hierdurch wurde die Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen genauso erschwert wie die Zufahrt zum Nachbargrundstück. In der Berufungsinstanz obsiegte er, da das Oberverwaltungsgericht die Ortspolizeibehörde für sachlich unzuständig hielt. Diese Auffassung hat das BVerwG in der Revisionsinstanz bestätigt. Die grundsätzliche Zuständigkeit zur Ausführung der Straßenverkehrsordnung liegt bei den Straßenverkehrsbehörden (§ 44 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 StVO). Welche das sind, wird grundsätzlich landesrechtlich festgelegt. Der Senat entschied, dass eine Ausführung der Straßenverkehrsordnung im Sinne der Vorschrift auch dann vorliegt, wenn eine behördliche Anordnung zur Umsetzung von Verhaltenspflichten ergeht, die in der Straßenverkehrsordnung geregelt sind, sich die erforderliche Ermächtigungsgrundlage jedoch nicht aus der Straßenverkehrsordnung selbst, sondern aus der polizei- bzw. sicherheitsrechtlichen Generalklausel eines Bundeslandes ergibt. Die sachliche Zuständigkeit für den Erlass einer solchen Anordnung liegt daher grundsätzlich bei der Straßenverkehrsbehörde.
IV. Straßenreinigungspflicht für Anlieger und Betreten der Fahrbahn
Nach § 25 StVO muss ein Fußgänger den Gehweg benutzen und darf nur dann auf der Fa...