ARB § 4 Abs. 1 c
Leitsatz
Die Anzeige eines Unfalls gegenüber dem privaten Unfallversicherer stellt noch keine Rechtshandlung dar, die den Verstoß des Unfallversicherers gegen Rechtspflichten durch Ablehnung einer weitergehenden Invaliditätsentschädigung auslöst.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Düsseldorf, Urt. v. 8.9.2016 – 32 C 132/16
Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der Bekl., bei der er seit dem 31.7.2014 einen Rechtsschutzversicherungsvertrag unterhält, Deckung für die Geltendmachung eines Anspruchs auf eine weitere Invaliditätsentschädigung gegenüber seinem Unfallversicherer, dem er mit Schreiben v. 21.5.2014 einen eigenen Unfall v. 8.5.2014 angezeigt hat. Nach einer Teilleistung verweigerte der Unfallversicherer am 27.5.2015 weitere Zahlungen. Die Bekl. verweigert Rechtsschutz auf der Grundlage von § 4 Abs. 3a ARB, wonach kein Rechtsschutz besteht, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Rechtsschutz begründenden Verstoß gegen Rechtspflichten ausgelöst hat.
2 Aus den Gründen:
" … 2. Die Klage ist teilweise begründet."
a) Die Bekl. ist aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag verpflichtet, dem Kl. Rechtsschutz zur klageweisen Durchsetzung seiner Ansprüche aus der privaten Unfallversicherung zu gewähren. Ein Anspruch des Kl. ergibt sich insoweit aus § 1 VVG i.V.m. §§ 2d, 4 Abs. 1c), 7 Abs. 1 der ARB.
Die Parteien haben mit Wirkung für den 31.7.2014 einen Rechtsschutzversicherungsvertrag geschlossen, welchem die ARB zugrunde liegen. Nach Beginn des Versicherungsschutzes gem. § 7 Abs. 1 ARB ist ein Rechtsschutzfall eingetreten. Dieser tritt zu dem Zeitpunkt ein, in dem der VN oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll, § 4 Abs. 1c) ARB. Der Versicherungsschutz umfasst dabei gem. § 2d) ARB auch die Gewährung von Rechtsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen. Darunter fällt auch das Versicherungsvertragsverhältnis des Kl. mit einer privaten Unfallversicherung, aus welchem der Kl. vorliegend klageweise gegen seine Unfallversicherung vorzugehen beabsichtigt. Diese hat mit Schreiben v. 27.5.2015 eine weitergehende Regulierung seines geltend gemachten Schadens aus dem Unfallereignis vom 8.5.2014 abgelehnt.
Ein Verstoß i.S.d. § 4 Abs. 1c) ARB ist – wie auch unstreitig zwischen den Parteien feststeht – in der teilweisen Ablehnung der Unfallregulierung durch die Unfallversicherung mit Schreiben v. 27.5.2015 zu sehen. Sofern sich die Bekl. hier auf die Regelung des § 4 Abs. 3a) ARB beruft, ist diese hier nicht einschlägig. Danach besteht kein Rechtsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß ausgelöst hat. Dazu dürfte die Willenserklärung oder Rechtshandlung selbst noch keinen Rechtsverstoß i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 ARB darstellen und müsste ihrer Natur nach erfahrungsgemäß schon den Keim eines nachfolgenden Rechtsverstoßes in sich tragen, um eine sog. “streitauslösende Wirkung' zu entfalten (vgl. Harbauer, § 4 Abs. 3 ARB, Rn 137). Die Regelung in § 4 Abs. 3a) ARB statuiert lediglich einen Risikoausschluss für den VR, hat aber keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls. Eine derartige Ausschlussklausel ist restriktiv auszulegen, so dass unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschlussklausel nicht jede Willenserklärung oder Rechtshandlung, die zu einem Versicherungsfall führt, zugleich den Versicherungsschutz entfallen ließe.
Hier führt die Bekl. unzutreffend an, dass bereits die Beantragung einer Leistung gegenüber der Unfallversicherung durch den Kl. am 8.5.2014 als ein den Verstoß auslösendes Verhalten i.S.d. genannten Ausschlussklausel anzusehen sei. Sie nimmt eine Parallelwertung zu einem Fall eines Rentenantrags bei einer gesetzlichen Unfallversicherung vor und macht sich die diesbezügliche Argumentation des eingeschalteten Versicherungsombudsmanns zu eigen. … Damit nimmt die Bekl. vorliegend eine über den Zweck der Ausschlussklausel hinausgehende unzulässige Auslegung der Regelung des § 4 Abs. 3a) ARB vor.
Denn eine Vergleichbarkeit der streitauslösenden Wirkung ist zwischen der Rechtshandlung “Stellung eines Rentenantrags' bei der gesetzlichen Unfallversicherung und der hier vorliegenden Konstellation der Anzeige eines Unfalls gegenüber dem privaten Unfallversicherer nicht gegeben. Es ist keine typische Folge einer auf Leistung gerichteten Anzeige an einen Unfall-VR, wie hier der Unfallanzeige des Kl. v. 21.5.2014, dass sich in der Leistungsabwicklung oder der abschließenden Entscheidung ein Streit der Parteien über Invaliditätsleistungen anschließt. Zum einen sind die Anträge in beiden Fällen auf völlig divergierende Leistungen gerichtet. Denn nicht alle von dem VN bei seiner privaten Unfallversicherung angezeigten Unfallgeschehnisse ziehen die Geltendmachung einer Invaliditätsleistung vergleichbar einer Berufsunfähigkeitsrente nach...