ZPO § 114 Abs. 1 S. 1 § 117 Abs. 2 S. 1 § 139; ArbGG § 46
Leitsatz
1. Die Rückwirkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nur bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, zu dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles Erforderliche und Zumutbare für die Bewilligung getan hat.
2. Das Gericht ist nicht verpflichtet, den um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten darauf hinzuweisen, dass sein Prozesskostenhilfe-Antrag wegen der fehlenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht bescheidungsfähig ist.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BAG, Beschl. v. 31.7.2017 – 9 AZB 32/17
Sachverhalt
Der Kl. erhob unter dem 6.5.2016 beim ArbG Mannheim eine Kündigungsschutzklage und machte ferner einen Zeugnisanspruch geltend. In der Klageschrift beantragte sein damaliger Prozessbevollmächtigter, dem Kl. Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung "hiesiger Sozietät" zu bewilligen. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sonstige Unterlagen waren dem PKH-Antrag nicht beigefügt. Mit Schriftsatz v. 17.6.2016 teilte die Prozessbevollmächtigte des Kl. mit, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten und beantragte, den im Schriftsatz niedergelegten Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO zu protokollieren. Ferner beantragte die Anwältin die für den Kl. bereits beantragte PKH zu bewilligen und diese auf den Abschluss des vorstehenden Vergleichs zu erstrecken. Das ArbG hob mit Verfügung v. 20.6.2016 den bereits bestimmten Gütetermin auf und unterbreitete den Parteien einen Vergleichsvorschlag gem. § 278 Abs. 6 S. 1 ZPO, dem die Parteien mit Schriftsätzen v. 21.6. und 7.7.2016 zustimmten. Hieraufhin stellte das ArbG das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschl. v. 7.7.2016 fest.
Mit Verfügung v. 11.7.2016 regte das ArbG gegenüber dem Kl. an, seinen PKH-Antrag zurückzunehmen, da eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorliege. Die Rechtsanwältin des Kl. überreichte diese Erklärung mit Schriftsatz v. 15.7.2016 mit dem Hinweis, die Erklärung sei versehentlich nicht rechtzeitig eingereicht worden.
Das ArbG Mannheim hat dem Antrag des Kl. auf Bewilligung von PKH nicht entsprochen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LAG Baden-Württemberg zurückgewiesen. Auch die vom LAG zugelassene Rechtsbeschwerde des Kl. hatte beim BAG keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
[4] "… II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das LAG hat die sofortige Beschwerde des Kl. gegen den ablehnenden Beschluss des ArbG zu Recht zurückgewiesen. Eine rückwirkende Bewilligung von PKH nach Beendigung des Rechtsstreits kommt vorliegend nicht in Betracht."
[5] 1. Nach § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO kann PKH lediglich für eine “beabsichtigte' Rechtsverfolgung gewährt werden. Nach Beendigung des Rechtsstreits wird die Rechtsverfolgung nicht mehr beabsichtigt. Gem. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von PKH eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege beizufügen. Dabei sind gem. § 117 Abs. 4 ZPO die amtlichen Formulare zu benutzen. Tatsächlich kann erst zu dem Zeitpunkt, in dem diesen Anforderungen genügt ist, PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet werden. Eine Rückwirkung kann nur bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, an dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles Erforderliche und Zumutbare für die Bewilligung getan hat (BAG RVGreport 2012, 236 (Hansens) = zfs 2012, 465 m. Anm. Hansens = AGS 2012, 406). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da nach eigenen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Kl. versehentlich kein formgerechter Antrag gestellt wurde. Ein solcher lag damit allenfalls nach Beendigung des Rechtsstreits vor.
[6] 2. PKH war auch nicht deshalb rückwirkend zu bewilligen, weil das ArbG vor Feststellung des Zustandekommens des Vergleichs nicht darauf hingewiesen hatte, der Antrag des Kl. sei noch nicht bescheidungsfähig, weil keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliege. Das ArbG war weder nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO verpflichtet, vor Feststellung des Zustandekommens des Vergleichs auf das Fehlen der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen, noch lässt sich eine entsprechende Hinweispflicht aus § 139 ZPO herleiten. Einem Rechtsanwalt muss die Notwendigkeit der Einreichung der formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt sein. Eines besonderen gerichtlichen Hinweises bedurfte es daher nicht. Für eine solche Kenntnis des Rechtsanwalts ist es auch nicht erforderlich, dass er selbst angekündigt hatte, die Formularerklärung nachreichen zu wollen (so noch BAG 5.12.2012 – 3 AZB 40/12, Rn 13). Zudem hätte es dem anwaltlich vertretenen Kl. freigestanden, den Vergleich zunächst abzulehnen und weiterhin die Bewilligung von PKH zu verlangen (vgl. BVerfG 2.7.2012 – 2 BvR 2377/10, R...