VVG § 28 Abs. 2, Abs. 3 § 115 Abs. 1 S. 4; AKB 2008 E.1; BGB § 426 Abs. 1
Leitsatz
Feststellungsnachteile entstehen für den VR regelmäßig allein dadurch, dass sich der VN unerlaubt von der Unfallstelle entfernt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Düsseldorf, Urt. v. 13.7.2017 – 9 S 37/16
Sachverhalt
Die Kl. und Berufungskl. nimmt den Bekl. und Berufungsbekl. auf Zahlung von Aufwendungen, die sie aus einem zwischen den Parteien bestehenden Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag an einen Geschädigten im Zusammenhang mit einem Vorfall v. 21.5.2012 zwischen 16:00 Uhr und 16:30 Uhr erbracht hat. Die Kl. beruft sich auf Leistungsfreiheit aufgrund der Regelung in Teil E Ziff. 1.3 der vereinbarten AKB, da der Bekl. unstreitig den Unfallort verlassen hat, ohne Feststellungen zu ermöglichen. Der Bekl. tritt dem entgegen und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Durch das angefochtene Urt. v. 28.7.2016 hat das AG D die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Kl. habe gegen den Bekl. keinen Anspruch gem. § 426 Abs. 2 BGB, § 115 Abs. 1 S. 4 VVG i.V.m. § 28 Abs. 2, Abs. 3 VVG i.V.m. Ziff. E. 1.3 AKB. Der Bekl. habe gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG vorsätzlich eine vertragliche Obliegenheit verletzt. Gem. Ziff. E. 1.3 AKB dürfe im Falle eines Unfalls der Unfallort nicht verlassen werden, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Der Bekl. habe selbst erklärt, dass er beim Zurücksetzen einen Widerstand verspürt und überlegt habe, ob er gegen das parkende Fahrzeug gestoßen sei. Dies reiche aus, um einen bedingten Vorsatz zum Verlassen des Unfallortes anzunehmen. Er habe jedoch den Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG führen können. Dieser sei nicht gem. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG ausgeschlossen. Arglist sei nicht festzustellen. Konkrete Anhaltspunkte, die für die Verfolgung eines gegen die Interessen der Kl. gerichteten zwecks beim Verlassen des Unfallortes sprächen, seien nicht ersichtlich. Dem Bekl. sei der Kausalitätsgegenbeweis gelungen, da sich aus dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass das vorsätzliche unerlaubte Entfernen vom Unfallort Einfluss auf den Umfang der Leistungspflicht der Kl. genommen habe. Die Kl. habe auch nicht aufgezeigt, welchen anderen Verlauf die Regulierung voraussichtlich genommen hätte, wenn der Bekl. die notwendigen Feststellungen ermöglicht hätte.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet, da die Klage begründet ist. Der Kl. steht der geltend gemachte Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 116 Abs. 1 S. 2 und 3, 115 Abs. 1 S. 4 VVG zu, da sie im Verhältnis zum Bekl. gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m. Ziff. I. 1.3 der vereinbarten AKW leistungsfrei ist."
Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass der Bekl. vorsätzlich eine Obliegenheitsverletzung begangen hat. Der Umstand, dass sich die Kollision auf einem Privatgrundstück ereignet hat, ist darauf ohne Einfluss.
Es kann dahinstehen, ob der Bekl. gem. § 28 Abs. 3 S. 2 VVG arglistig gehandelt hat, denn er hat den Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG jedenfalls nicht geführt.
Der Nachweis der Nichtkausalität erfordert den Beweis, dass auch bei hypothetisch angenommener ordnungsgemäßer Erfüllung der Obliegenheit der Versicherungsfall und die Leistungspflicht des VR in gleicher Weise eingetreten wären oder aber jedenfalls nicht gänzlich ausgeblieben wären und auch das Feststellungsergebnis zum Versicherungsfall und zum Umfang der Leistungspflicht des VR für den VR nicht günstiger gewesen wäre. … Den Kausalitätsgegenbeweis hat der VN dergestalt zu führen, dass er die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten, die für eine Kausalität sprechen, ausräumt (Rixecker, in: Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl. 2016, § 28 VVG Rn 96). Es ist dann im Rahmen der sekundären Darlegungslast Sache des VR, im Einzelnen darzulegen, welche Maßnahmen er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Obliegenheit ergriffen hätte und welche Konsequenzen von diesen Maßnahmen zu erwarten gewesen wären. …
Der Nachweis fehlender Ursächlichkeit ist bei Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit allerdings erst dann erbracht, wenn feststeht, dass dem VR hierdurch keine Feststellungsnachteile erwachsen sind; bleibt dies unklar und in der Schwebe, ist der VN beweisfällig und der VR nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei (OLG Naumburg zfs 2012, 696 … ).
Regelmäßig entstehen für den VR schon dadurch, dass der VN sich nach dem Unfall von der Unfallstelle entfernt hat, Feststellungsnachteile, die sich nachträglich nicht mehr ausgleichen lassen; vor allem können keine objektiven Feststellungen mehr dazu getroffen werden, ob der VN bei dem Unfall unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand, was wegen des Verbots in D.2.1 AKB 2008 gem. D.3.1 S. 1 und 2 AKB 2008 zum Verlust seines Versicherungsschutzes führen könnte; hätte er die Polizei verständigt und an der Unfallstelle gewartet, wären diese Feststellung objektiv überprüfbar gewesen. …
So liegt der Fall auch hier. Der Bekl. hat den obliegenden Beweis nicht geführt, da nicht feststeht, dass der Kl. durc...