Fallbeispiele zur allgemeinen Haftpflichtversicherung: Schäden direkt Beteiligter infolge von Rettungshandlungen; Ersatzpflicht in Fällen der Nothilfe zugunsten Dritter
A. Einleitung
Gerät ein Mensch in eine Notlage, herrscht bei privaten Ersthelfern oft große Unsicherheit inwieweit sie zur Hilfeleistung verpflichtet sind. Der Gesetzgeber hat dazu im Strafgesetzbuch eindeutig festgelegt:
Zitat
"Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft" (§ 323c StGB).
Kommt es im Zuge der Ausübung einer schnellen Nothilfe zu einem Schaden können vielfältige Haftungsfragen auftreten. Dies umso mehr, wenn irrtümlich eine Gefahrenlage angenommen wurde. Nicht selten wird in solchen Situationen auch die Feuerwehr alarmiert. Führen deren Einsatzarbeiten zu Schäden ist die Erstattungspflicht ebenfalls mitunter unklar. Gleiches gilt für die Übernahme der reinen Einsatzkosten der Feuerwehr, besonders bei grundlosem Alarm, etwa infolge eines defekten Rauchwarnmelders. Relevant werden dann vorwiegend die speziellen landesgesetzlichen Regelungen, nach denen die Kommunen Aufwendungen für Feuerwehreinsätze vom Bürger verlangen können. Ferner ist jeweils die Frage von Interesse, ob die Schäden bzw. Aufwendungen von einer Haftpflichtversicherung gedeckt sind. Der Beitrag zeigt daher nachfolgend einige klassisch in der Praxis der Allgemeinen Haftpflichtversicherung vorkommende Rettungs- bzw. Schadenszenarien mit Lösungsansätzen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung auf.
B. Schäden direkt Beteiligter infolge von Rettungshandlungen
Führen Hilfeleistungen im Rahmen von Unfällen und Gefahrenlagen zu Schäden kommt juristisch besonders der Geschäftsführung ohne Auftrag (kurz: GoA) gem. § 677 ff. BGB eine gewichtige Bedeutung zu. Bei der GoA handelt es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis, welches dadurch begründet wird, dass jemand (Geschäftsführer) in der Sphäre eines anderen (Geschäftsherr) für diesen handelt, ohne dazu verpflichtet zu sein. Charakteristisch für das Recht der GoA sind die vielen subjektiven Elemente, wodurch die GoA in ihren Rechtsfolgen flexibel ist und sich gut für Einzelfallgerechtigkeit eignet.
I. Versicherungsschutz in der allgemeinen Haftpflichtversicherung bei Ansprüchen aus der GoA
Aufgabe des Haftpflichtversicherers ist es, dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu bieten, wenn dieser von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, (vgl. Ziff. 1.1. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung – AHB). Obwohl ein Anspruch aus der GoA ein Aufwendungsersatzanspruch und kein Schadenersatzanspruch ist, fallen unter den Begriff des Schadenersatzanspruchs i.S.v. Ziff. 1.1. AHB auch Aufwendungsersatzansprüche aus der GoA gem. §§ 683 S. 1, 670 BGB, sofern die Ansprüche des Geschäftsherrn Schadenersatzcharakter haben bzw. wenn Aufwendungen einem Geschäftsführer infolge einer gesetzlichen Pflicht zum Eingreifen entstanden sind.
Bei bestehendem Versicherungsschutz umfasst die Leistung des Versicherers neben der Befriedigung begründeter Ansprüche auch die Abwehr unbegründeter Forderungen (Rechtsschutzfunktion der Versicherung), vgl. § 100 VVG/Ziff. 1.5 AHB. Dem Haftpflichtversicherer steht es dabei, je nach rechtlicher Würdigung des Geschehens, frei, ob er die gegen seinen Versicherungsnehmer geltend gemachten Ansprüche erfüllen oder den Versuch einer Anspruchsabwehr vornehmen will.
II. Der Notleidende wird bei einer Rettungstat geschädigt
In akuten Notsituationen handelt ein Helfer – rein rechtlich betrachtet – regelmäßig im Rahmen einer berechtigten GoA gem. § 677 BGB, da er regelmäßig nicht vom Opfer zu seiner Hilfeleistung beauftragt werden kann. Wird mit der Hilfeleistung die Abwendung einer "drohenden dringlichen Gefahr" bezweckt, haftet er gegenüber dem Notleidenden nur für Schäden, die er grob fahrlässig verursacht hat, § 680 BGB. Für die Abwendung einer dringenden Gefahr des Geschäftsherrn i.S.d. § 680 BGB ist es nicht allein nötig, dass eine Gefahr für Leib oder Leben besteht. Es ist auch ausreichend, dass nach der Vorstellung des Geschäftsführers eine dringende Gefahr für das Vermögen des Geschäftsherrn abgewendet wird. Das Haftungsprivileg des § 680 BGB erstreckt sich auch auf Ansprüche des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer aus konkurrierenden Anspruchsgrundlagen (z.B. § 823 Abs. 1 BGB) und ist auch Verschuldensmaßstab bei sog. Anscheinsgefahren.
Bei so genannten professionellen Nothelfern (insbesondere Notärzte, Rettungssanitäter, Feuerwehr) ist umstritten, ob das Haftungsprivileg des § 680 BGB gilt. Der BGH hat jedenfalls eine analoge Anwendung der Vorschrift im Rahmen des § 839 BGB verneint und es sprechen gute Gründe dafür, die milde Haftung nach § 680 BGB auch im unmittelbaren Anwendungsbere...