Fallbeispiel
Die 83-jährige Mieterin eines Einfamilienhauses hatte unangekündigt Besuch erhalten, während sie sich einen Mittagsschlaf gönnte. Die ans Haus gebundene Seniorin reagierte dabei weder auf den schrillen Ton der Haustürklingel, noch konnte die Besucherin sie durch gleichzeitige Anrufe mit dem Mobilfunktelefon erreichen. Dabei meinte sie, ein Stöhnen aus dem Haus vernommen zu haben. Als die alleinstehende Seniorin nicht öffnete und auch nicht ans Telefon ging, alarmierte die beunruhigte Besucherin die Feuerwehr, welche die Tür aufbrach und irreparabel beschädigte. Die 83-Jährige wurde schlafend im Bett vorgefunden. Später fordert der Vermieter die Erneuerung der Haustür. Ferner verlangt der Träger der Feuerwehr die Einsatzkosten erstattet.
1. Anspruch gegen die 83-jährige Mieterin
Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB scheidet mangels Pflichtverletzung der 83-jährigen Mieterin aus. Die Mieterin hat das Aufbrechen der Tür nicht zurechenbar veranlasst. Insbesondere stellt es keine Pflichtverletzung der Mieterin dar, dass sie sich schlafen gelegt hat und das Klingeln ihrer Besucherin nicht gehört hat. Auch eine Verletzung der Obhutspflicht der Mieterin, nämlich die Wohnung sorgfältig und pfleglich zu behandeln und nach Möglichkeit vor Schäden zu bewahren, ist der Mieterin nicht vorzuwerfen. Die Mieterin hat sich auch nicht das Verhalten ihres Besuchs gem. § 278 BGB zurechnen zu lassen, da sie sich ihrer Besucherin nicht als Hilfsperson zur Erfüllung ihrer Schutz- und Obhutspflichten bediente. Ein Mieter haftet für seine Besucher nur insoweit, als diese die Mietsache mit Wissen und Wollen des Mieters benutzen. Im Übrigen ist die Tür nicht von der Besucherin, sondern von der Feuerwehr aufgebrochen worden. Daher mangelt es an einem der Mieterin gem. § 278 BGB zuzurechnendem Verhalten ihrer Besucherin, zumal die Entscheidung, die Tür aufzubrechen, von der Feuerwehr getroffen wurde. Die Feuerwehr zu rufen stellt kein Verhalten der Besucherin dar, das gem. § 278 BGB der Mieterin zuzurechnen ist. Der Vermieter hat gegen die Mieterin auch keinen Schadensersatzanspruch gem. § 904 S. 2 BGB. Ersatzpflichtig nach § 904 S. 2 BGB ist nicht der Begünstigte (hier: die Mieterin), sondern der Einwirkende. Da die Duldungspflicht des beeinträchtigten Eigentümers dem Einwirkenden gegenüber besteht, soll er auch von diesem den Ausgleich erhalten; Einwirkungsrecht und Schadensersatzpflicht fallen i.d.R. in ein- und derselben Person zusammen. Demnach ist ein Anspruch des Vermieters gegen die 83-jährige Mieterin nicht begründet.
2. Anspruch gegen die alarmierende Person
Derjenige, der – wie im Fallbeispiel – nach hinreichenden Anhaltspunkten wegen eines Notfalls die Feuerwehr ruft, haftet nicht für Schäden, die beim Aufbrechen der Haustüre durch die Feuerwehrleute entstehen. Es ist Aufgabe der Feuerwehr eigenständig zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen sind. Dem Alarmierenden ist das nicht vorzuwerfen, so dass er sich den durch die Feuerwehr an der Türe entstandenen Schaden auch nicht zurechnen lassen muss. Letztlich haftet der Träger der Feuerwehr für mögliche Einsatzschäden, nicht jedoch der aufmerksame Bürger, der die Feuerwehr berechtigt herbeiruft.
3. Anspruch gegen den Träger der Feuerwehr
Nach einer Alarmierung obliegt es grundsätzlich der Feuerwehr, darüber zu entscheiden, ob ihr Einsatz erforderlich ist und, bejahendenfalls, welche Mittel angesichts des gemeldeten Gefahrenzustands zur Beseitigung desselben nach der dortigen fachlichen Einschätzung zum Einsatz kommen werden. Dabei hat sie bei ihrer pflichtgemäßen Ermessensausübung insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und darf deshalb nur die Maßnahmen ergreifen, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr zu beseitigen. Durch die ergriffenen Maßnahmen darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Ob der Feuerwehreinsatz und die dabei getroffenen Maßnahmen nach Art und Umfang erforderlich sind, ist ggf. eine vom Gericht in vollem Umfange zu prüfende Rechtsfrage. Maßgeblich ist dabei die ex-ante-Sicht, d.h. es ist zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf den Sach- und Kenntnisstand der Feuerwehr zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung abzustellen. Gefahrenabwehrrechtlich ist eine sog. Anscheinsgefahr der objektiven Gefahrenlage gleichgestellt. Der Rechtsgrund hierfür liegt in der ex ante-Sicht der Gefahrenbeurteilung und in der Funktion des Gefahrenabwehrrechts, das eine effektive Gefahrenabwehr verlangt und nicht Tatenlosigkeit, bis es für eine Schadenvermeidung zu spät ist. Bezüglich der Anspruchsgrundlagen wird auf Abschnitt C. I. 2. verwiesen.
4. Anspruch gegen die alarmierende Person wegen des Einsatzes der Feuerwehr
Die der Feuerwehr kraft Gesetz zugewiesenen Aufgaben sind grundsätzlich unentgeltlich. Diese Regelung wurde von dem Grundgedanken getragen, dass der Einsatz einer Feuerwehr alle Bürger belast...