Fallbeispiel
Aus einem gemieteten Einfamilienhaus ertönten Hilfeschreie. Aufgrund dessen klingelte und klopfte ein besorgter Passant mehrmals an der Haustür und entschloss sich dann kurzerhand die Tür aufzubrechen, um dem vermeintlich in Not befindlichen Bewohner zu Hilfe zu kommen. Als er in die Wohnung eindringen konnte, kam ihm der alleinstehende Bewohner, der lediglich lange geduscht hatte, erschrocken entgegen. Tatsächlich kamen die Schreie aus dem laut gestellten Fernsehgerät, was bei besonderer Sorgfalt wegen der neben den Hilfeschreien erklingenden Musik, wie sie für einen Film typisch ist, hätte erkannt werden können. Der Vermieter verlangt die Beseitigung des Schadens.
1. Anspruch gegen den Mieter
Ein Anspruch gegen den Mieter besteht, wie im vorherigen Fall dargelegt, nicht. Der Mieter hat in dem Zeitpunkt, als die Klingel der Wohnung betätigt worden ist, lediglich geduscht. Damit hat der Mieter die Wohnung vertragsgemäß gebraucht. Zudem scheidet eine Haftung des "Begünstigten" aus, da diesem der Irrtum des Einwirkenden nicht angelastet werden kann.
2. Anspruch gegen den Helfer
Auf Seiten des Helfers (= Einwirkender) kann ein schuldhafter Irrtum über das Vorliegen einer Notlage angenommen werden, da er bei gehöriger Achtsamkeit hätte erkennen können, dass keine Notsituation vorlag. Daher haftet der Einwirkende dem Eigentümer gegenüber aus § 823 Abs. 1 BGB. Vertritt man in dem Beispielsfall stattdessen die Ansicht, dass der Irrtum des Helfers über die Notlage unverschuldet ist, so bedarf es eines Rückgriffs auf § 904 S. 2 BGB. Irrt sich der Einwirkende schuldlos über tatsächliche Umstände, so dass bei Zugrundelegung seiner Vorstellung ein rechtfertigender Notstand gem. § 904 S. 1 BGB vorliegt, ist der Eingriff trotzdem rechtswidrig, da keine Notwendigkeit dafür existiert. Geht man im Rahmen des § 904 S. 2 BGB von einer Passivlegitimation des Einwirkenden aus, muss § 904 S. 2 BGB entsprechend angewendet werden, da es an der Voraussetzung "Notstandslage" des § 904 S. 1 BGB fehlt.
3. Rückgriffsanspruch des Helfers gegen den Mieter
Gegenstand der unaufgeforderten Tätigkeit des Helfers war die vermeintliche Not eines Anderen, so dass das Institut der GoA ins Spiel kommt. Bei der echten GoA, bei der der Geschäftsführer bewusst ein Geschäft für einen anderen führt, wird differenziert, ob die Geschäftsführung berechtigt oder unberechtigt erfolgte. Nur wenn die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB vorliegen, ist die GoA berechtigt, wonach der Geschäftsführer Ersatz seiner Aufwendungen nach den §§ 670, 683 S. 1 BGB verlangen kann. Nach der gesetzlichen Konzeption des § 683 S. 1 BGB steht der wirkliche Geschäftsherrenwille im Vordergrund. Kann er ermittelt werden, richtet sich die Berechtigung der GoA allein nach ihm, während dem mutmaßlichen Willen erst dann, gleichsam ersatzweise, Bedeutung zukommt, wenn sich der wirkliche Wille nicht ermitteln lässt. In der konkreten Situation entsprach das Aufbrechen der Tür als Geschäftsführung (objektiv) weder dem Interesse noch (subjektiv) dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Mieters. Daher bleibt selbst bei einer schuldlosen Fehlbeurteilung dem Helfer bei dem vorgegebenen Sachverhalt der Anspruch aus § 683 S. 1 BGB versagt. Die rein irrige Annahme des Geschäftsführers, dass etwa der Tatbestand des § 680 BGB vorliegt, führt nicht zur Abwälzung des Aufwendungsrisikos auf denjenigen, dem geholfen werden sollte. Das Gesetz kennt auch keine gutgläubige berechtigte GoA. Der gute Glaube eines echten Geschäftsführers schafft keine berechtigte Geschäftsführung, sondern führt geradewegs in die unberechtigte GoA (§ 678 BGB). Bei einer unberechtigten GoA haftet der Geschäftsherr nach den §§ 684 S. 1, 818 BGB lediglich nach Bereicherungsrecht. Durch die Handlung des einwirkenden Helfers wurde der Mieter aber nicht bereichert. Anders als nach § 670 BGB, der allein darauf abstellt, ob der Geschäftsführer seine Aufwendungen für erforderlich halten durfte, ist für die unberechtigte GoA entscheidend, ob die Geschäftsführung für den Geschäftsherrn tatsächlich von Nutzen ist, er also bereichert ist. Demzufolge begründen unsachgemäße und überflüssige Maßnahmen zur Abwehr einer nur vermeintlichen Gefahr keinen Ersatzanspruch aus der GoA. Das hat für den einwirkenden Geschäftsführer somit weitreichende Konsequenzen, da er das Risiko einer Fehleinschätzung trägt.
Fallbeispiel
Abwandlung zum vorigen Fall, wobei der vermeintlich notleidende Bewohner Hauseigentümer ist und den Helfer direkt in Anspruch nimmt.
Auch in der Abwandlung handelt es sich mangels der Voraussetzungen der §§ 683, 684 S. 2 BGB um eine echte unberechtigte GoA. Die Übernahme der Geschäftsführung stand im Widerspruch zum wirklichen Willen des Geschäftsherrn, was der Geschäftsführer hätte erkennen können. Infolge dieser Gegebenheiten begründet § 678 BGB einen eigenständigen Schadenersatzanspruch des Geschäftsherrn. Sowohl im Rahmen des § 677 BGB als auch des § 678 BGB gilt der Haftungsmaßstab des § 680 BGB. § 680 BGB, der an sich für das Ausführungsversch...