ARB 2010 § 1 § 2 Buchst. d § 4 Abs. 1 S. 1 Buchst. c
Leitsatz
1. Widerruft ein VN einen Darlehensvertrag wegen fehlerhafter Belehrung über sein Widerrufsrecht, so tritt der Rechtsschutzfall in dem Augenblick ein, in dem der Darlehensgeber sich weigert, den Darlehensvertrag rückabzuwickeln.
2. Der Versicherer kann sich das Recht, Rechtsschutz wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit zu verweigern, nicht wirksam vorbehalten, wenn er die Leistung aus anderen Gründen (Vorvertraglichkeit) ablehnt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Köln, Urt. v. 12.6.2018 – 9 U 15/18
1 Aus den Gründen:
"… Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes aus § 125 VVG i.V.m. §§ 1, 2 d), 4 Abs. 1 S. 1 c) ARB 2010."
Zwischen den Parteien besteht seit dem 23.1.2013 ein wirksamer Rechtsschutzversicherungsvertrag auf der Grundlage der ARB 2010. Die Ehefrau des Kl. ist mitversichert: Die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags nach einem Widerruf der Vertragserklärungen des Versicherungsnehmers und seiner mitversicherten Ehefrau fällt unter den vereinbarten Vertragsrechtsschutz gem. § 2d) ARB 2010.
Der Rechtsschutzfall ist gem. § 4 Abs. 1 S. 1 c) ARB 2010 mit der Verweigerung der E-Bank in dem Schreiben vom 12.4.2016 eingetreten, das Widerrufsrecht des Kl. und seiner Ehefrau sowie die von ihnen mit Schreiben vom 24.3.2016 geforderte Rückabwicklung der Verträge anzuerkennen. Aus Sicht eines objektiven Empfängers hat die E-Bank in dem Antwortschreiben vom 12.4.2016 konkludent erklärt, dass sie die vom Kl. und seiner Ehefrau geforderte Rückabwicklung der Darlehensverträge zurückweist. Ausdrücklich hat die E-Bank zwar nur erklärt, dass ein vom Kl. und seiner Ehefrau geltend gemachter Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht bestehe. Jedoch musste ein objektiver Empfänger die weiteren Erklärungen der E-Bank dahingehend verstehen, dass diese die begehrte Rückabwicklung des Darlehensvertrags aufgrund des erklärten Widerrufs insgesamt ablehnt. Denn die E-Bank unterbreitet dem Kl. und seiner Ehefrau nur einen Vorschlag zur Fortführung des Darlehensvertrags unter geänderten Konditionen. Dem ist zu entnehmen, dass die E-Bank zu der mit Schreiben vom 24.3.2016 geforderten Rückabwicklung des Vertrags unter Anerkennung des Widerrufsrechts nicht bereit ist.
Der von der Bekl. erhobene Vorvertragseinwand greift nicht durch. Nach ständiger Rspr. des BGH (NJW-RR 2006, 37) ist für die Festlegung der dem Vertragspartner des Versicherungsnehmers vorgeworfenen Pflichtverletzung der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der Versicherungsnehmer den Verstoß begründet. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet.
Das ist im Streitfall die Weigerung der E-Bank, den mit Schreiben vom 24.3.2016 erklärten Widerruf der Darlehensverträge anzuerkennen. Dieser der E-Bank angelastete Verstoß liegt in versicherter Zeit. (…)
Entgegen der Rechtsansicht der Bekl. kommt es für die Bestimmung des Rechtsschutzfalls nicht darauf an, ob der Streit über die Berechtigung des vom Kl. erklärten Widerrufs darauf beruht, dass die in den Darlehensverträgen vorhandene Widerrufsbelehrung vermeintlich fehlerhaft oder – wie im Haustürwiderrufsfall des BGH (BGH NJW-RR 2008, 271) – entgegen den gesetzlichen Vorgaben überhaupt nicht vorhanden war. Dass die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß oder gar nicht erteilt worden war, wirft der Kl. der Darlehensgeberin nicht als Pflichtenverstoß vor. Dem Kl. geht es nicht um die “Nachbesserung' einer fehlerhaften Belehrung, sondern um die Rückabwicklung der Darlehensverträge, zu deren Berechtigung er sich gerade auf den Erhalt seines Widerrufsrechts beruft. Welcher Art der Pflichtenverstoß bei Abschluss der Darlehensverträge war, ist unerheblich, weil der Versicherungsfall allein in der Weigerung der Darlehensgeberin liegt, den Widerruf und die darauf gestützte Rückabwicklung der Verträge anzuerkennen. Deshalb ist auch der Hinweis der Bekl. auf die Entscheidung des BGH v. 11.10.2016 (GRuR 2010, 390) unbehelflich. Der Kl. und seine Ehefrau begehren nicht die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung in Erfüllung der Rechtspflichten des Unternehmers.
Der Versicherungsschutz ist entgegen der Auffassung des LG nicht aufgrund der Vorerstreckungsklausel gem. § 4 Abs. 3a) ARB 2010 ausgeschlossen. § 4 Abs. 3a) ARB 2010 enthält keine zusätzliche Definition des Rechtsschutzfalles. Nach der Vorerstreckungsklausel besteht kein Rechtsschutz, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß nach Absatz 1 ausgelöst hat.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Vorerstreckungsklausel in § 4 Abs. 3a) ARB 2010 wirksam ist. Bedenken gegen die Transparenz der Regelung können insofern bestehen, als der dort verwendete Begriff der Rechtshandlung nicht näher definiert wird. (…)
Wie der Senat bereits wiederholt (…) entschieden hat, stellt eine Widerrufsb...