BGB § 31 § 249 § 826; ZPO § 138 § 286 § 287
Leitsatz
1. Wer vorsätzlich ein Fahrzeug mit einer unzulässigen, weil die Typengenehmigung in Frage stellenden Einrichtung (hier Abgasrückführungsabschalteinrichtung) in den Verkehr bringt, kann aufgrund sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB Schadensersatz schulden.
2. Tritt eine juristische Person den vom Kl. dargelegten Indizien für eine Kenntnis leitender Angestellte und Vorstände lediglich mit der Aussage entgegen, dafür lägen keine Erkenntnisse vor, führt dieses Bestreiten mit Nichtwissen zur Geständnisfiktion des § 138 Abs. 4 ZPO. Ungeachtet dessen wird einer im Übrigen anzunehmenden sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht genügt.
3. Als Schaden kommt sowohl die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeuges, die mit den Folgen der Nachrüstung verbundenen Aufwände als auch die enttäuschte Erwartung, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, in Betracht.
4. Der Kl. muss sich den Wert der gezogenen Nutzungen als Vorteilsausgleich anrechnen lassen. Der konkrete Fall gibt keinen Anlass, dies als unbillig anzusehen.
OLG Koblenz, Urt. v. 12.6.2019 – 5 U 1318/18
Sachverhalt
Der Kl. kaufte von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW mit einem 2,0- Liter Dieselmotor des Typs EA 189, dessen Herstellerin die Bekl. ist. Für das Fahrzeug wurde die Typengenehmigung nach der VO (EG) Nr. 715/2007 der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Im Zusammenhang mit dem Prüfverfahren vor Erteilung der Typengenehmigung erkannte die mit dem Motor verwandte Software, ob ein Einsatz auf einem Prüfstand stattfand und schaltete in den Abgasführungsmodus 1 – einen Stickstoffoxid reduzierenden Modus. Das hatte zur Folge, dass Stickoxide in den Motor zurückgeführt wurden und das Emissionskontrollsystem unbedenkliche niedrige Werte auswies, sodass die Typengenehmigung erteilt wurde. Dagegen wurde im normalen Fahrbetrieb unter Einschaltung des Modus ein höherer Stickstoffausstoß erreicht. Das Kraftfahrtbundesamt bewertete die Abschalteinrichtung mit bestandskräftigem Bescheid als unzulässig und gab dem Hersteller auf, diese zu beseitigen.
Der Kl. machte die Rückerstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Kfz geltend. Das LG wies die Klage wegen Fehlens einer allein in Betracht kommenden unerlaubten Handlung ab. Die Berufung des Kl. hatte teilweisen Erfolg. Unter Anrechnung der von dem Kl. gezogenen Nutzungen wurde ihm der entsprechend in der Höhe verminderte Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe des Kfz zugesprochen. Der Senat bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 826 BGB.
2 Aus den Gründen:
"[29] … Nach Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG hat der Hersteller von ihm gefertigte Neufahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO 715/2007/EG) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 6 der VO 715/2007/EG) erreicht wird (vgl. BGH, a.a.O., Rn 10ff)."
[30] Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO 715/2007/EG), sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO 715/2007/EG) greifen. Eine "Abschalteinrichtung" ist nach Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG jedes Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
[31] Ausgehend von diesen weitgefassten Bestimmungen handelt es sich auch bei der im Fahrzeug des Kl. installierten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG (vgl. auch OLG Koblenz – 2. Zivilsenat – Beschl. v. 27.9.2017, 2 U 4/17, NJW-RR 2018, 376). Denn eine solche Software erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet und schaltet in diesem Fall in den Modus 1, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an NOx verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert die Software den Modus 0, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet; sie ermittelt also aufgrund technischer Parameter...