JVEG § 8a Abs. 2 § 13; ZPO § 407 § 409
Leitsatz
Ein Sachverständiger, der die Begutachtung verweigert, weil die Parteien mit der Gewährung einer besonderen Vergütung nach § 13 JVEG nicht einverstanden sind, verliert seinen Vergütungsanspruch nur unter den Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 JVEG – also nach erfolgloser Festsetzung von Ordnungsgeld gem. § 409 ZPO.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.5.2019 – 8 W 103/19
Sachverhalt
Das LG Stuttgart hatte durch Beweisbeschluss vom 14.12.2018 die Beweiserhebung über vom Kl. behauptete Mängel eines von der Bekl. gekauften Fahrzeugs durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet und den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Kfz-Schäden und Bewertung X zum Sachverständigen bestimmt. Dieser teilte dem Gericht unter dem 30.1.2019 mit, für die Begutachtung seien interdisziplinäre Kenntnisse erforderlich, hierfür berechne er 180 EUR pro Stunde. Auf die Aufforderung des LG an die Parteien, sich darüber zu erklären, ob dem Stundensatz zugestimmt werde, erklärte der Beklagtenvertreter sein Einverständnis. Der Klägervertreter wies demgegenüber auf ein Schreiben seiner Rechtsschutzversicherung hin, die mitgeteilt hatte, einer besonderen Vergütung i.S.v. § 13 JVEG werde nicht zugestimmt. Hierauf wies das LG die Beteiligten darauf hin, die fehlende Zustimmung des Kl. könne nur unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 S. 2 JVEG ersetzt werden, diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Hieraufhin antwortete der Sachverständige, er entnehme der gerichtlichen Mitteilung, dass der von ihm angesetzte Stundensatz nicht gezahlt werde. Daher gebe er "den Auftrag nebst Akte und Anlagen zurück". Seinem Schreiben fügte er eine Kostennote für bislang angefallenen Arbeitsaufwand bei, mit der er drei Stunden Zeitaufwand zu je 180 EUR zzgl. 6,30 EUR Portoauslagen und Umsatzsteuer, insgesamt 650,10 EUR berechnete.
Das LG Stuttgart setzte die Vergütung des Sachverständigen X auf 0 EUR fest. Dies hat das LG damit begründet, dem Sachverständigen sei deshalb keine Vergütung zu gewähren, weil er das Unterbleiben der Fertigstellung des Gutachtens, zu dessen Erstattung er verpflichtet sei, zu vertreten habe.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Sachverständigen hatte beim OLG Stuttgart Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… II."
[6] Die gem. § 4 Abs. 3 JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Sachverständigen hat auch in der Sache Erfolg.
[7] Die Voraussetzungen für eine Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen auf 0 EUR liegen – zumindest derzeit – nicht vor.
[8] Zu Recht weist das LG darauf hin, dass der öffentlich bestellte, beschwerdeführende Sachverständige nach § 407 Abs. 1 ZPO verpflichtet war, das mit Beweisbeschluss vom 14.12.2018 angeordnete Gutachten zu erstatten unabhängig davon, ob die Parteien den von ihm beanspruchten, von den gesetzlichen Regelungen abweichenden Vergütungssätzen nach § 13 Abs. 1 JVEG zustimmen oder nicht. Die Heranziehung eines Sachverständigen durch das Gericht ist eine staatlich hoheitliche Beanspruchung, die nicht den Regeln des Vertragsrechts unterliegt (OVG Berlin JurBüro 2001, 485; Hartmann, KostG, 48. Aufl., § 1 JVEG, Rn 11). Die mit dem Beweisbeschluss vom 14.12.2018 begründete Verpflichtung des Sachverständigen wurde nicht durch seine Mitteilung, er gebe den Auftrag zurück, beendet. Vielmehr liegt eine gerichtliche Entpflichtung bislang nicht vor und kann insb. nicht in der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung des Einzelrichters gesehen werden.
[9] Mit der Rücksendung der Akten und der “Rückgabe des Auftrags' bringt der Sachverständige allerdings zum Ausdruck, dass er die angeordnete Erstellung eines Gutachtens verweigert. Die Folgen einer solchen Weigerung sind in § 409 ZPO geregelt. Danach hat das Gericht dem Sachverständigen die durch die Verweigerung des Gutachtens verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein Ordnungsgeld festzusetzen; im Falle wiederholten Ungehorsams kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden (§ 409 Abs. 1 S. 3 ZPO). Die Auswirkung des Ungehorsams auf den Vergütungsanspruch des Sachverständigen regelt die Vorschrift nicht. In Rechtsprechung und Literatur wird hierzu vertreten, dass ein Sachverständiger, der infolge seiner Verweigerung entpflichtet wird, auch seinen Vergütungsanspruch verliert (OVG Berlin, a.a.O.; Brandenburgisches OLG MDR 2005, 1131; LG Kiel, Beschl. v. 20.3.2008 – 11 O 110/07; LG Stuttgart, Beschl. v. 3.6.2014 – 11 O 293/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke, JVEG, 27. Aufl., § 8a, Rn 28; Zimmermann in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., § 413, Rn 4; Scheuch in: BeckOK-ZPO, 31. Edition, § 413, Rn 7).
[10] Eine gesetzliche Regelung über einen möglichen Wegfall oder eine mögliche Beschränkung ist mit § 8a JVEG geschaffen worden. Die Vorschrift wurde mit Wirkung ab 1.8.2013 eingeführt, weil das JVEG bis dato keine Regelungen darüber enthielt, unter welchen Voraussetzungen ein Sachverständiger wegen eigenen Verschuldens den Anspruch auf seine Vergütung ganz oder teilweise verliert (BT-Drucks...