FGO § 82 § 128 Abs. 1 § 143 Abs. 1; ZPO § 380 § 381 Abs. 1
Leitsatz
1. Durch den Beschluss des FG, mit dem die gegenüber einem Zeugen wegen Nichterscheinens festgesetzten Ordnungsmittel aufgehoben werden, wird ein Verfahrensbeteiligter nicht in eigenen Rechten verletzt; es fehlt ihm an der erforderlichen Beschwer.
2. Die Beschwerdebefugnis der Verfahrensbeteiligten besteht aber insoweit, als die ursprüngliche Anordnung, mit welcher dem Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt worden waren, vom FG wegen nachträglicher genügender Entschuldigung aufgehoben wird, da diese Kosten nunmehr zwangsläufig einem bzw. den Beteiligten anteilig zur Last fallen.
BFH, Beschl. v. 30.3.2020 – X B 7/20
Sachverhalt
Das FG Berlin-Brandenburg hatte den Zeugen D unter Bezeichnung des Beweisthemas zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung geladen, die nach Verlegung am 27.8.2019 stattfand. Zu diesem Termin war der ordnungsgemäß geladene Zeuge D nicht erschienen. Durch Beschl. v. 2.9.2019 erlegte das FG Berlin-Brandenburg dem Zeugen D die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auf. Zugleich wurde gegen ihn ein Ordnungsgeld i.H.v. 100 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, zwei Tage Ordnungshaft festgesetzt.
Unter dem 9.9.2019 teilte der gerichtlich bestellte Pfleger dem FG Berlin-Brandenburg mit, dass D unter seiner Betreuung stehe. Dieser sei so schwer an Demenz erkrankt, dass eine sinnvolle Beteiligung am Verfahren ausgeschlossen sei. Erst durch den Ordnungsgeldbeschluss habe er – der Pfleger – von der Ladung des von ihm betreuten D und seinem Ausbleiben erfahren. Unter Vorlage eines vom zuständigen AG ausgestellten Betreuerausweises beantragte der Pfleger, den Beschl. v. 2.9.2019 aufzuheben. Diesem Antrag kam das FG durch Beschl. v. 4.11.2019 mit der Begründung nach, der Zeuge habe sein Fernbleiben entschuldigt.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss v. 4.11.2019 haben nunmehr die Kl. fristgerecht Beschwerde eingelegt. Das FG Berlin-Brandenburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem BFH zur Entscheidung vorgelegt. Auf eine Aufforderung des BFH, die angekündigte Begründung einzureichen und Stellung zu nehmen, inwieweit sie durch den angegriffenen Beschluss in eigenen Rechten verletzt seien, haben die Kl. nicht reagiert. Der BFH hat die Beschwerde der Kl. teilweise als unzulässig verworfen, im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"… II."
[8] Die Beschwerde der Kl. hat keinen Erfolg. (…)
[10] Der Beschl. v. 2.9.2019 beinhaltete allerdings nicht nur die Entscheidung, D die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten des Verhandlungstermins v. 27.8.2019 aufzuerlegen, sondern auch die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegenüber D. Vor diesem Hintergrund sind mit dem angegriffenen Aufhebungsbeschluss beide vorstehend genannten Anordnungen entfallen, auch wenn das FG in der Begründung des Beschlusses v. 4.11.2019 verengend nur davon spricht, durch die Entschuldigung des Fernbleibens sei die Festsetzung des Ordnungsgeldes aufzuheben gewesen.
[11] Trotz des Hinweises im Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 29.1.2020, die Kl. mögen erwägen, inwieweit durch den angegriffenen Aufhebungsbeschluss eigene Rechte betroffen seien, haben sie keine Klarstellung dahingehend vorgenommen, der Beschl. v. 4.11.2019 habe nur in bestimmtem (beschränkten) Umfang angegriffen werden sollen.
[12] 2. Die in vorstehender Weise auszulegende Beschwerde gegen den Beschl. v. 4.11.2019 ist hinsichtlich der Aufhebung der Festsetzung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft unzulässig (unter a), hinsichtlich der Aufhebung der Kostenauferlegung unbegründet (unter b).
[13] a) Die Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich der Aufhebung der Festsetzung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft folgt daraus, dass die Kl. nicht beschwert sind.
[14] aa) Nach § 380 Abs. 1 ZPO, der über § 82 FGO auf die Beweisaufnahme sinngemäß anzuwenden ist, wird gegen einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen bei Nichterscheinen zwingend ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Gegen den solche Maßnahmen anordnenden Beschluss findet die Beschwerde statt (vgl. § 380 Abs. 3 ZPO). Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Zeuge sein Ausbleiben genügend entschuldigt; erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen aufgehoben (vgl. § 381 Abs. 1 ZPO).
[15] bb) Der Senat kann offen lassen, ob – angesichts der gesetzlichen Regelung in § 381 ZPO, der insoweit keine Beschwerdemöglichkeit vorsieht – überhaupt ein Rechtsmittel gegen die Aufhebung des Ordnungsmittels statthaft ist (verneinend Gehle in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO 78. Aufl., § 381 Rn 11, unter Hinweis auf OLG Hamm NJW-RR 1987, 815; wohl ebenso Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 381 Rn 6).
[16] Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Beschwer (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Beschl. v. 13.6.2007 – V B 179/06, BFH/NV 2007, 2296, Rn 10, sowie v. 17.6.1999 – VI B 109/99, BFH/N...