"I. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Voraussetzungen für eine Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht gegeben waren."
1. Der Rüge, die Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs ohne sachliche Prüfung hätten nicht vorgelegen, liegt nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen und den schriftlichen Urteilsgründen folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
Der Betr. ist am 18.9.2019 nach Frankfurt gereist, um von dort am 19.9. zu einem mehrmonatigen, bis Ende Juni 2020 geplanten Studienaufenthalt in die USA zu fliegen. Am 20.9.2019 wurde die Ladung zu dem auf den 18.11.2019 bestimmten Hauptverhandlungstermin im Wege der Ersatzzustellung (Einwurf in den Briefkasten) unter der (bisherigen) Wohnadresse des Betr. in S zugestellt. In der Folgezeit hat das AG mehrere Verlegungsanträge des Verteidigers, die mit dem Studienaufenthalt des Betr. in den USA begründet worden waren, abgelehnt. Zum Hauptverhandlungstermin v. 18.11.2019 war der von der Erscheinungspflicht nicht entbundene Betr. nicht erschienen. In den schriftlichen Gründen des im Termin ergangenen Verwerfungsurteils hat das AG u.a. ausgeführt:
“Der Termin wurde dem Verteidiger bereits am 23.8.2019 telefonisch mitgeteilt. Eine Mitteilung, dass der Betr. sich ab Ende September 2019 in den USA aufhält, erfolgte zunächst nicht. Das Gericht hat bei der Frage der Terminverlegung berücksichtigt, dass der Betr. eine weite Anreise aus den USA zu dem Termin hat. Es hat daher angeboten, Ausweichtermine zu benennen, während derer sich der Betr. in Deutschland aufhält. Daraufhin wurde mitgeteilt, der Betr. halte sich ununterbrochen bis Ende Juni 2020 in den USA auf.
Insoweit war ferner zu berücksichtigen, dass seine dringend gebotene Anwesenheit zur Klärung der Fahrereigenschaft erst im Juli 2020 gewährleistet gewesen wäre. Die Verfolgungsverjährungsfrist beträgt aber sechs Monate. Nur durch im Hinblick auf das bisher angeordnete Fahrverbot von einem Monat nicht zu rechtfertigende Schiebetermine hätte daher die Verfolgungsverjährung unterbrochen werden können. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Vorfall mehr als ein Jahr zurückliegt. Auch die Beauftragung eines anthropologischen Sachverständigen macht keinen Sinn, da sich zum einen das Gericht selbst von der Fahrereigenschaft überzeugen muss und zum anderen der Sachverständige wegen der Ortsabwesenheit den Betr. nicht rechtzeitig untersuchen kann.'
2. a) Soweit die Rechtsbeschwerde eine verfahrensfehlerhafte Behandlung der Terminverlegungsanträge beanstandet, ist die Rüge aus den von der GenStA in der Antragsschrift vom 19.6.2020 (dort unter 1 b) dargestellten Gründen nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben.
b) Die Rüge dringt auch nicht im Hinblick auf die Behauptung fehlerhafter Ersatzzustellung durch. Dahinstehen kann, ob die Rüge bereits daran scheitert, dass nicht mitgeteilt ist, ob der Betr. das Ladungsschreiben über Familienangehörige oder Bekannte in die USA nachgesendet erhalten hat. Denn jedenfalls würde das Urteil nicht auf einer fehlerhaften Ladung beruhen. Ladungsmängel hindern die Säumnisfolgen nur, wenn sie ursächlich dafür sind, dass der erscheinungswillige Betr. an der Verhandlung nicht hat teilnehmen können (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 3.12.1999 – Ss 566/99 (B) – 260 B, NStZ-RR 2000, 179, 180; OLG Hamm, Beschl. v. 31.7.2008 – 3 Ss 288/08, NStZ-RR 2008, 380; Hettenbach in BeckOK-OWiG, 26. Ed. 1.4.2020, OWiG § 74 Rn 38). Steht hingegen fest, dass der Betr. auch im Falle einer ordnungsgemäßen Ladung zum Termin nicht erschienen wäre, bleibt der Ladungsfehler ohne Wirkung (OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.6.2005 – 1 Ss 210/05, NStZ-RR 2005, 319, 320; Arnoldi in MüKo-StPO, 1. Aufl., § 216 Rn 12). So liegt der Fall hier. Aus den Ausführungen der Rechtsbeschwerde zur (Un-)Zumutbarkeit einer Anreise des Betr. aus den USA ergibt sich zwanglos, dass dieser wegen der damit verbundenen Erschwernisse auch im Falle einer wirksamen Ladung dem Termin ferngeblieben wäre und sich ein Mangel der Ladung daher nicht ausgewirkt hat.
c) Die Rüge ist aber begründet, weil das Ausbleiben des Betr. in der Hauptverhandlung entschuldigt war.
aa) Eine genügende Entschuldigung liegt vor, wenn dem Betr. das Erscheinen unter Berücksichtigung der Umstände und der Bedeutung der Sache im konkreten Fall nicht zumutbar oder nicht möglich ist. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Pflicht, aufgrund richterlicher Anordnung zu einem bestimmten Termin vor Gericht zu erscheinen, der Regelung beruflicher oder privater Angelegenheiten grds. vorgeht (Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 74 Rn 29 m.w.N.). Nur unaufschiebbare Geschäfte oder berufliche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sowie private Interessen, deren Zurückstellung für den Betr. mit gravierenden, insb. wirtschaftlichen Nachteilen verbunden wäre, können dazu führen, dass die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Befolgung einer Ladung ausnahmsweise zurückzutreten hat (Senge in KK-OWiG, 5. Aufl...