Steffen "Fiktive Abrechnung der Kfz-Reparatur – Eine Anmerkung" zfs 2020, 244.
1) Die Entscheidung befasst sich mit einem Aspekt der fiktiven Abrechnung von Fahrzeugschäden, der bisher nicht erörtert worden ist (vgl. Heßeler NJW 2020, 1797). Die Bearbeitungszeit von Verkehrsunfallprozessen kann dazu führen, dass bei beabsichtigter fiktiver Abrechnung die Schätzung des vorgerichtlichen Gutachters auf der Grundlage der Preisgestaltung einer markengebundenen Werkstatt, aber vor allem die nachgewiesene Verweisungswerkstatt wegen zwischenzeitlicher Preiserhöhungen beim Vergleich abweichende Beurteilungen zulassen.
Ausgangspunkt ist die fortbestehende Zulässigkeit der fiktiven Schadensabrechnung, die zuletzt das OLG Frankfurt (zfs 2020, 264) überzeugend begründet hat. Aus der Begründung der vorliegenden Entscheidung des BGH lässt sich entnehmen, dass der BGH bei der Begründung der fiktiven Abrechnung die deren Zulässigkeit verneinende Entscheidung des LG Darmstadt (zfs 2019, 24) nicht einmal erwähnt, was den sicheren Rückschluss erlaubt, dass er die Ansicht des LG Darmstadt für unvertretbar hält (vgl. Heßeler a.a.O.).
Hinzu kommt, dass inzwischen der vom LG Darmstadt missverstandene Anlass für die Verneinung der fiktiven Abrechnung zweifelhaft geworden ist. Die Bezugnahme des LG Darmstadt auf die für das Werkvertragsrecht verneinende Entscheidung des VII. Zivilsenates zur fiktiven Abrechnung in einer Konstellation des Werkvertragsrechts ist in einem Vorlageschluss des V. Zivilsenats angegriffen worden (Beschl. v. 13.3.2020 – V ZR 33/19; veröffentlicht in ZIP 2020, 1073).
2) Alles andere als überraschend ist es, dass der BGH als maßgeblichen Zeitpunkt für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs den Zeitpunkt der Erfüllung, der identisch mit der letzten mündlichen Verhandlung ist, bestimmt. Die imponierende Fülle der Nachweise für die Bestimmung dieses maßgeblichen Zeitpunktes mag bei langer Dauer des Verfahrens und zwischenzeitlicher auf die Kalkulation der Positionen der fiktiven Abrechnung durchschlagender Preissteigerungen Auswirkungen haben. Da die rechtskräftige Entscheidung über Grund und Höhe der fiktiven Abrechnung allein auf die letzte mündliche Verhandlung abstellen darf, kann zur Erleichterung der Entscheidungsfindung nicht auf einen anderen Zeitpunkt abgestellt werden. Jeder andere Zeitpunkt wäre willkürlich bestimmt. Für die Prozessbevollmächtigten hat dies zur Folge, dass sie bei langer Dauer des Rechtsstreits die Kalkulation der Verweisungswerkstatt auf zwischenzeitliche Preiserhöhungen überprüfen und ihren Antrag anpassen müssen. Ob damit eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits wegen eines von den Bekl. erklärten Bestreitens zwangsläufig verbunden sein muss, ist zweifelhaft. lmmerhin besteht die Möglichkeit einer schriftlichen Zeugenvernehmung unter der Beifügung neuer Preislisten (vgl. Heßeler a.a.O.).
3) Dass zwischenzeitliche Preiserhöhungen der Verweisungswerkstatt dazu führen, dass sich die Preisstruktur der Markenwerkstatt dieser gegenüber als günstiger erweist, dürfte wegen anzunehmender Preissteigerungen der Markenwerkstatt ausgeschlossen sein. Damit ist die Anknüpfung der Bemessung an die Preisstruktur der Verweisungswerkstaat bei zeitlich aufwändigen Schadensersatzprozessen mit fiktiver Abrechnung allein entscheidungserheblich.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 11/2020, S. 625 - 628