OLG Frankfurt zfs 2019, 83; OLG Düsseldorf zfs 2019, 378.

1) Die Entscheidung stellt den Versuch dar, durch Modifikationen des in seinem Urt. v. 18.10.2018 (zfs 2019, 81) vertretenen Ansatzes der taggenauen Bemessung des Schmerzensgeldes diese gegen die dagegen weit überwiegend geführten Angriffe und Ablehnungen zu verteidigen. Dass die Methode der taggenauen Berechnung des Schmerzensgeldes auf dem positiv zur bewertenden Bestreben beruht, die Grundsätze der Schätzung des angemessenen Schmerzensgeldbetrages offen zu legen und damit in der Rechtsanwendung vorhersehbar zu machen, ist auch in der Kritik der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 18.10.2019 betont worden (vgl. zuletzt Lüttringhaus/Koch VersR 2019, 973; Ernst/Lang VersR 2019; 1124). Einigkeit besteht allgemein, dass die Praxis der Bemessung des Schmerzensgeldes wenig transparent und für den Geschädigten und seinen Bevollmächtigten nicht vorhersehbar ist. Das zu erstrebende Ziel der Methodik der Schmerzensgeldbemessung, dass der angemessene Betrag sozusagen nach der plastischen Formulierung von Ernst/Lang (VersR 2020, 1225) "auf Knopfdruck" feststellbar sein sollte, wird in der vorliegenden Entscheidung selbst dadurch in Zweifel gezogen, dass die aufgrund der Methode auch wegen der Notwendigkeit von Korrekturen des gewonnen vorläufigen Zahlenwerkes nur eine "Plausibilitätskontrolle" erlaubt (vgl. Rn 55). Damit liefert die Methode der taggenauen Berechnung keine aufgrund einfacher Rechenoperationen unschwer nachvollziehbare Bestimmung der angemessenen Höhe des Schmerzensgeldes.

2) Die Entscheidung des OLG Frankfurt führt die weit überwiegenden die Methode der taggenauen Bemessung ablehnenden Stellungnahmen in gerichtlichen Entscheidungen und der Literatur an (Rn 47/48) und gesteht zu, dass die in dem ursprünglichen Modell der taggenauen Bestimmung des Schmerzensgeldes enthaltenen Anknüpfungspunkte des durchschnittlichen Nettoeinkommens und die Wahl der Prozentsätze "willkürlich" wirken (Rn 58).

Vor dem Hintergrund dieser die Methode der taggenauen Bestimmung des Schmerzensgeldes ablehnenden Stellungnahmen und unter Bezugnahme auf die wenigen zustimmenden Stellungnahmen (Rn 42 und 48) verteidigt das OLG Frankfurt sein Festhalten an der von ihm modifiziert herangezogenen Methode. Dass die nunmehr vertretene Methode sich durchsetzen und allgemeine Billigung erfahren wird, erscheint angesichts der Begründungsmängel der Methode wenig wahrscheinlich.

3) Gegen die Billigung der Methode der taggenauen Bestimmung des Schmerzensgeldes spricht es, dass das Schmerzensgeld den Nutzungsausfall für ein Fahrzeug nicht unterschreiten dürfe. Eine solche Untergrenze ist nicht begründbar, erfasst nicht die das Schmerzensgeld prägende entgangene Lebensfreude und stellt wohl auch eine verfassungswidrige Bewertung menschlichen Lebens nach seiner Nutzbarkeit dar (vgl. Slizyk NZV 2019, 337; zustimmend Ernst/Lang a.a.O. S. 1125).

4) Die Lösung der Bemessung des Schmerzensgeldes von dem Nettoeinkommen des Geschädigten (Rn 58) stellt eine überfällige Korrektur des ursprünglichen Ansatzes der Methode dar, da die auszugleichende entgangene Lebensfreude durch die Höhe des Nettoeinkommens nicht erkennbar beeinflusst wird (vgl. auch Ernst/Lang a.a.O. S. 112599).

5) Die Schätzung der Höhe des Schmerzensgeldes auf der ersten Stufe der Methode der taggenauen Berechnung stellt auf die Höhe des Bruttosozialproduktes ab, wobei bei einer maximalen Beeinträchtigung von 100 % die Bemessungsgrundlage für die Berechnung auf 7 % des Bruttoeinkommens gedeckelt wird.

Wie bei dem nunmehr von dem OLG Frankfurt abgelehnten Bezug des Nettoeinkommens zu der Bestimmung des angemessenen Schmerzensgeldes ist ein Bezug des Schmerzensgeldes zu dieser wirtschaftlichen Größe (vgl. Lüttringhaus/Korch a.a.O. S. 977) nicht erkennbar (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.; Engelbrecht DAR 2019, 44; Jaeger VersR 2019, 891). Eine Verbindung zwischen dem im Vordergrund der Schmerzensgeldbemessung stehenden Ausgleichszweck und Einkommen und Bruttosozialprodukt ist nicht erkennbar.

Die floskelhafte Wendung in dem Handbuch von Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi a.a.O. S: 184, wonach niemand bei Trost sei, der sich für diesen Betrag in den Rollstuhl setze, gibt für eine Begründung nichts her (kritisch zu dieser Argumentationsweise auch Lüttringhaus/Korch a.a.O, Rn 61). Mit der fehlenden Brauchbarkeit des Bruttosozialprodukts als mittelbarer Bestimmungsgrund des angemessenen Schmerzensgeldes ist die Methode der taggenauen Bemessung bereits zu verwerfen.

Die Heranziehung von 7 % des Bruttosozialproduktes als erster Schritt zur vorläufigen Bestimmung des Schmerzensgeldbetrages ist nach den Vorgaben der Methode der taggenauen Bestimmung des Schmerzensgeldes notwendige Voraussetzung der noch auf der ersten Stufe vorzunehmenden Rechenoperation. Erweist sich wie hier das Bruttosozialprodukt als ungeeigneter Anknüpfungspunkt, ist damit die fehlende Brauchbarkeit der Methode belegt.

6) Damit stellt sich die Frage, ob die von dem OLG Frankfurt in Erk...

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