Das Zessionssystem im Personenschadenrecht ist ein kompliziertes Geflecht, geprägt u.a. durch verschiedene Zeitpunkte des Forderungswechsels und unterschiedliche Rahmenbedingungen. Jeglicher Eingriff, der dieser Kompliziertheit und Komplexität keine Rechnung trägt, führt unweigerlich zu die außergerichtliche Schadenabwicklung nachhaltig beeinträchtigenden Problemen und nachfolgenden Gerichtsverfahren. Fällig werdende Leistungen richten sich nicht einheitlich an zivilrechtlichen Maßstäben aus, sondern haben ihre eigenen Rechtsregeln (u.a. des Sozialversicherungs-, Sozialhilfe-, Beamten- und Arbeitsrechts) zu beachten. Die Verbindungen zwischen den Systemen im Schadensfall unterliegen Rechtsregeln, die über Jahrzehnte hinweg durch Rechtsprechung und Gesetzgebung entwickelt sind, um ausreichende finanzielle Befriedigung des Geschädigten und Rückgriff der Drittleistungsträger korrekt abzuwickeln und Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Eingriffe in dieses System haben Auswirkungen über den Einzelfall hinaus, vor allem dann, wenn der Hintergrund nicht ausreichend beleuchtet wurde.
Ein wichtiger Punkt der vom BGH gewählten Begründung ist die Frage, ob Legalzessionen bei Schädigermehrheit aufgespalten werden können – und dürfen. Wenn der BGH das Angehörigenprivileg (nur im Anwendungsbereich des § 116 SGB X) in persönlichen Anwendungsbereich und Wirkung aufspaltet und sich dabei auf einen von ihm (BGH) so gesehenen gesetzgeberischen Willen beruft, ist dieses anhand von Gesetzesmaterialien weder belegt und belegbar. Es widerspricht auch dem von der Rechtsprechung seit Jahrzehnten aufgestellten Grundsatz der einheitlichen Betrachtung von § 116 SGB X und § 86 VVG (siehe oben II.4.d)aa)).
Während die gewillkürte rechtsgeschäftliche Forderungsübertragung (Abtretung) regelmäßig nur bilaterale Problemstellungen hat, stellt sich dies bei Legalzessionen gänzlich anders dar. Es gibt hier nicht nur § 116 SGB X mit einem einzigen beteiligten Sozialversicherer (siehe aber § 117 SGB X), sondern in ein und demselben Schadenfall kommen durchaus mehr als 10 verschiedene Legalzessionen (mit unterschiedlichem rechtlichen Inhalt) in Betracht, die dann auch noch zueinander unterschiedlich in Konkurrenz treten. Personenschadenregulierung ist – anders als die Sachschadenabwicklung – ein höchst komplexes System mit vielfältigen Zuständigkeiten und Leistungsbeziehungen.
Im Kreditrecht hielt das OLG Schleswig es in einer ganz besonderen (letztlich bilateral geprägten) Situation ausnahmsweise für zulässig, die Forderung gegen nur einen von mehreren Gesamtschuldnern abzutreten (gewillkürte Zession). Nach Auffassung des OLG Hamm und des OLG Nürnberg erhält demgegenüber der Zessionar die gegen alle Gesamtschuldner gerichtete Forderung stets ungeteilt. Eine Aufspaltung von Legalzessionen war bislang – soweit ersichtlich – nicht Gegenstand der Diskussion in Rechtsprechung und Literatur; anders als bei der Abtretung erfolgen hier willensunbeeinflusste Forderungswechsel, z.T. auch ohne Kenntnis der beteiligten Parteien.
Ohne jegliche Diskussion und Begründung lässt der BGH eine gespaltene Legalzession zu. Wird eine Zession aufgespalten, um doppelt kassieren zu können, ist dies nicht zuletzt an §§ 138, 242 BGB zu messen. Es müssen außergewöhnliche oder besondere Interessenlagen vorliegen, um die Grenze der Sittenwidrigkeit als nicht überschritten anzusehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine Zessionsaufspaltung abzulehnen; § 412 BGB bietet in diesem Zusammenhang auch für die tagespraktische Abwicklung von Personenschäden keine ausreichende Sicherheit. Es muss einfach Klarheit herrschen, wer forderungsberechtigt ist und mit wem abzuwickeln ist. Die Aufspaltung von Zessionen ist mit den Grundzügen des Zessionsrechtes unvereinbar und zerstört die gerade hier gebotene Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Aktivlegitimation. Gerade Personenschäden bewegen sich in einem vielschichtigen und vielgestaltigen Leistungs- und Zessionssystem, das gesicherten Regeln zu folgen hat, damit nicht Doppelzahlungen erfolgen.