Nach § 105 Abs. 2 SGB VII erhält der nicht-versicherte Unternehmer Leistungen aus der Unfallversicherung, wenn er ohne die Haftungsprivilegierung gegen die im Betrieb Tätigen Haftpflichtansprüche hätte.
1. Voraussetzungen des Leistungsanspruchs
Der nicht-versicherte Unternehmer ist von sämtlichen zivilrechtlichen materiellen und immateriellen Ansprüchen gegenüber dem Schädiger ausgeschlossen. Er erhält stattdessen unter den besonderen Voraussetzungen des § 105 Abs. 2 SGB VII einen Leistungsanspruch gegenüber dem UVT, obwohl er an diesen (anders als der versicherte Unternehmer) zuvor keinerlei Leistungen (Versicherungsprämie) erbrachte.
2. Zivilrechtliche Haftung des Schädigers
Der verletzte nicht-versicherte Unternehmer wird nur dann einem Versicherten gleichgestellt, wenn die Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Haftung des Schädigers vorliegen (§ 105 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 SGB VII). Besteht bereits kein zivilrechtlicher Anspruch (wie fehlendes Verschulden des Schädigers oder Eingreifens eines privatrechtlichen Haftungsausschlusses, Vorliegen arbeitsrechtlicher Haftungsbeschränkung), wird der Haftungsausschluss eben nicht durch § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII erst herbeigeführt.
Eine bloße Mitverantwortung des Geschädigten bei der Herbeiführung des schadenstiftenden Ereignisses (Haftung dem Grunde nach) berührt den Anspruch gegenüber dem Unfallversicherungsträger nicht, solange danach nicht die zivilrechtliche Verantwortlichkeit gänzlich ausgeschlossen wäre (siehe auch § 7 Abs. 2 SGB VII).
3. Haftungsausschluss
Gerade die Anwendung des § 105 Abs. 5 S. 1 i.V.m. Abs. 1 SGB VII muss zum Haftungsausschluss führen.
Entfällt das Privileg (Entsperrung), weil der Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wurde, besteht kein Leistungsanspruch gegen den UVT. Hier ist der nicht-versicherte Unternehmer allein auf seinen zivilrechtlichen Anspruch gegen seinen Schädiger angewiesen.
4. § 108 SGB VII
Die Entscheidung im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren, ob eine Haftungsprivilegierung des Schädigers nach § 105 Abs. 2 SGB VII gegenüber dem nicht-versicherten Unternehmer eingreift, unterliegt der Bindungswirkung des § 108 SGB VII. Dies gilt auch dann, wenn im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren ein Arbeitsunfall mit der Begründung verneint wird, es bestehe keine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht. Die Annahme eines Versicherungsfalles setzt nach § 105 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich voraus, dass eine zivilrechtliche Ersatzpflicht des Schädigers besteht. Damit wird auch im Hinblick auf das Bestehen einer zivilrechtlichen Ersatzpflicht eine bindende Entscheidung im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren getroffen.
Würde man im Hinblick auf das Bestehen des zivilrechtlichen Anspruches eine Bindungswirkung verneinen, hätte dieses zur Konsequenz, dass der Geschädigte im zivilrechtlichen Verfahren die negative Entscheidung im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren konterkarieren könnte. Sollte das Zivilgericht dem Geschädigten einen Anspruch zusprechen, könnte er nach § 44 SGB X die Rücknahme der negativen sozialversicherungsrechtlichen Entscheidung begehren. Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidung des Unfallversicherers in einem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren rechtskräftig bestätigt wurde. Der Geschädigte könnte somit eine "Doppelentschädigung" bei Verneinung der Bindungswirkung erhalten.
Autor: Rechtsanwalt Dr. Michael Burmann, Rechtsanwalt Jürgen Jahnke
zfs 11/2020, S. 604 - 613