AKB K 4.4; BGB § 307 Abs. 2
Leitsatz
Die für den Fall der schuldhaften Nichtanzeige einer Überschreitung der im Vertragsantrag angegebenen Jahresfahrstrecke neben der Beitragserhöhung vorgesehene Vertragsstrafe von 500 EUR stellt eine unangemessene Benachteiligung dar.
LG Koblenz, Urt. v. 1.9.2021 – 16 S 2/21
Sachverhalt
Die Kl. verlangt von dem Bekl. die Zahlung von 500 EUR als Vertragsstrafe nach K. 4. 4. ihrer AKB. Zwischen den Parteien besteht seit 2017 ein Kaskoversicherungsvertrag, in dem zur Beitragsabrechnung eine maximale Fahrleistung von 15.000 Km pro Jahr vereinbart ist. Diese Jahresfahrleistung wurde vom Bekl. überschritten, was erst im Zuge der Regulierung eines Schadens durch die Kl. zu Tage trat. Die Kl. hatte den Bekl. vorgerichtlich erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 500 EUR aufgefordert.
2 Aus den Gründen:
1. Das AG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kammer teilt die Einschätzung des Amtsgerichts, dass die streitgegenständliche Vertragsstrafenregelung jedenfalls unter Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, weil sie den VN unangemessen benachteiligt, indem sie unverhältnismäßig hoch festgesetzt ist.
a) Zu Recht weist das AG darauf hin, dass eine Regelung dann unangemessen im Sinne der Norm ist, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, NJW 2000, 1110–1112), (wobei) der Angemessenheitsprüfung ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, NJW 2012, 2107) und eine Vertragsstrafe insbesondere dann unangemessen ist, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu seinen Folgen für den Vertragspartner steht (vgl. BGH, NJW 1997, 3233, 3234).
Im Hinblick auf die vorzunehmende Angemessenheitsprüfung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
b) Ergänzend weist die Kammer auf Folgendes hin:
Da die zugrunde gelegte Fahrleistung mit Prämienvorteilen korrespondiert, muss der VN damit rechnen, dass eine Änderung der Bemessungsgrundlagen für die Prämienberechnung durch eine Erhöhung des Risikos infolge einer erhöhten Fahrleistung zu einer Kompensation zugunsten des VR und der durch diesen vertretenen Versichertengemeinschaft führt. Darin ist grundsätzlich auch keine unbillige Sanktion zu erblicken, da es ansonsten jedem VN risikolos möglich wäre, zu Lasten der Versichertengemeinschaft bei Antragstellung unangemessene niedrige I, Jahreskilometerangaben zu machen, um eine möglichst niedrige Versicherungsprämie zahlen zu müssen (so auch: LG Dortmund NJW-RR 2009, 249). Die Kammer verkennt auch nicht, dass eine Vertragsstrafe in pauschaler Höhe von 500 EUR bei Überschreitung der in der Kaskoversicherung vereinbarten Laufleistung von der Rechtsprechung in der Vergangenheit schon als angemessen eingestuft worden war (vgl. AG Leutkirch VersR 2009, 1398: AG Heidenheim VersR 2009, 628) und eine Vertragsstrafe grundsätzlich auch in Übereinstimmung mit den Musterbedingungen des GDV steht.
Allerdings weicht die hier streitgegenständliche Regelung – ganz erheblich – von den Musterbedingungen des GDV ab.
Ziffer K.4.4 der Musterbedingungen (vgl. etwa Prölss/Martin/Klimke, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 Abs. K_4 K.4) lautet:
"Haben Sie vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht oder Änderungen vorsätzlich nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Beitrag berechnet worden, ist zusätzlich zur Beitragserhöhung eine Vertragsstrafe in Höhe von xx zu zahlen."
Die streitgegenständliche Regelung lautet nach den Feststellungen des Amtsgerichts in Ziffer K 4.4, an die die Kammer gebunden ist, demgegenüber:
"Haben sie schuldhaft unzutreffenden Angaben gemacht oder Änderungen schuldhaft nicht angezeigt und ist deshalb ein zu niedriger Betrag berechnet worden, ist zusätzlich zur Beitragserhöhung eine Vertragsstrafe in Höhe von 500 EUR zu zahlen."
Entgegen den Musterbedingungen des GDV ist eine Vertragsstrafe nach den hier streitgegenständlichen Regelungen daher nicht nur dann verwirkt, wenn der VN vorsätzlich unzutreffende Angaben gemacht oder Änderungen vorsätzlich nicht angezeigt hat, sondern bereits dann, wenn er dies lediglich "schuldhaft" und damit auch bereits (einfach) fahrlässig nicht getan hatte. Die verwendete Klausel weicht daher in erheblichem Maße zulasten des VN von den Musterbedingungen des GDV ab.
Die Kammer verkennt nicht, dass eine Abweichung grundsätzlich zulässig ist.
Im vorliegenden Falle führt diese jedoch, wie das AG zutreffend herausgearbeitet hat, dazu, dass eine Vertragsstrafe in Höhe von 500 EUR nach Ziffer K.4.4. bereits dann verwirklicht ist, wenn eine Überschreitung der jährlichen Kilometerleistung um nur 1 km fahrlässig (§ 276 BGB) nicht ang...