Wie das BG im Ausgangspunkt zutreffend annimmt, schuldet die Bekl. die zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit vereinbarte Rente (Abschnitt 2.1.2 AVB). Der Versicherungsfall tritt jedoch – anders als das BG meint – nicht stets mit dem Beginn des Sechsmonatszeitraums gemäß Abschnitt 1.2.1 AVB ein. Vielmehr ist entsprechend den beiden Alternativen dieser Klausel danach zu differenzieren, ob die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen zur Berufsausübung außerstande war (Berufsunfähigkeit am Ende dieses Zeitraums) oder ob sie voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen hierzu außerstande ist (Berufsunfähigkeit zu Beginn des Zeitraums). Das ergibt die Auslegung der Klausel.

1. AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (Senat VersR 2021, 21 st. Rspr.).

2. a) Bei der Beurteilung der Frage, wann der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit vorliegt, wird der VN die Überschrift von Abschnitt 1.2 AVB finden ("Wann liegt vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen vor?") und Abschnitt 1.2.1 AVB in den Blick nehmen. Zunächst wird er sich am Wortlaut der Klausel orientieren und erkennen, dass diese zwei durch das Wort "oder" getrennte Alternativen aufführt, wobei die erste Alternative im Imperfekt formuliert ist ("6 Monate ununterbrochen außerstande war"). Daraus wird er folgern, dass es insoweit auf eine rückblickende Beurteilung ankommt, die erst nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums möglich ist. Unter Einbeziehung der Formulierung zu Anfang der Klausel ("Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person …") wird er annehmen, dass der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit nach dieser Alternative erst nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums vorliegen kann.

Nach dem Wort "oder" wird der VN die zweite Alternative für das Vorliegen vollständiger Berufsunfähigkeit erkennen ("voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist"). Er wird bemerken, dass diese Alternative im Präsens formuliert ist und keine rückschauende Betrachtung zum Gegenstand hat, sondern die Prognose, ob die versicherte Person "voraussichtlich" während eines Sechsmonatszeitraums außerstande sein wird, ihren Beruf auszuüben. Aus dem Umstand, dass die Klausel insoweit auf eine Prognose zu Beginn eines Sechsmonatszeitraums abstellt, wird der VN folgern, dass die hieran geknüpfte Berufsunfähigkeit schon zu Beginn dieses Zeitraums vorliegt.

Den Sinnzusammenhang der beiden Alternativen wird er dahingehend verstehen, dass eine erheblich beeinträchtigte Person, deren Außerstandesein zur Berufsausübung während der nächsten sechs Monate abzusehen ist, bereits berufsunfähig im Sinne der zweiten Alternative von Abschnitt 1.2.1 AVB ist, während bei einer Person, bei welcher eine solche Prognose (noch) nicht möglich ist, der Sechsmonatszeitraum abgewartet werden muss und erst dann (wenn sie sechs Monate zur Berufsausübung außerstande war) feststeht, dass für die Folgezeit Berufsunfähigkeit im Sinne der ersten Alternative der Klausel vorliegt. Anders als die Revisionserwiderung meint, wird ein VN den denkbaren Fall, dass eine versicherte Person genau sechs Monate zur Berufsausübung außerstande ist, ebenso wenig als Widerspruch zu seinem Verständnis von Abschnitt 1.2.1 AVB ansehen wie die Möglichkeit, dass sich eine nach der zweiten Alternative der Klausel gestellte Prognose nicht erfüllt.

b) Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit auch nach der ersten Alternative von Abschnitt 1.2.1 AVB zu Beginn des Sechsmonatszeitraums vorliegen könnte, wird der VN in der Klausel nicht finden. Insoweit unterscheidet sich die Klausel von Bedingungen, welche durch den Zusatz "von Beginn an" bestimmen, dass auch bei einer rückschauenden Betrachtung der Versicherungsfall ab dem ersten Tag des jeweiligen Zeitraums vorliegt (vgl. Senat VersR 2020, 276). Fehlt – wie hier – ein entsprechender Einschub, tritt der Versicherungsfall erst sechs Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein (vgl. – zu unterschiedlichen Klauselfassungen – Senat VersR 2020, 276; BGHZ 111, 44; …). Anders als die Revisionserwiderung meint, gilt das auch für die erste Alternative von Abschnitt 1.2.1 AVB. Die Klausel ist nach dem oben zu a) Gesagten insoweit nicht anders auszulegen als andere Bedingungen, nach denen die "Fortdauer" des sechsmonatigen Außerstandeseins als Berufsunfähigkeit "gilt" (vgl. Senat NJW 1990, 1916 …).

c) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wird ein durchschnittlicher VN Abschnitt 2.4.1 AVB nichts An...

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