I. Problemstellung
Versicherer vereinbaren in ihren Verträgen regelmäßig die Anwendung des sogenannten "Sachverständigenverfahrens". Bis zur Schaffung des neuen VVG wurde das Sachverständigenverfahren vertraglich vereinbart. Seit Schaffung des neuen VVG findet sich für die Schadensversicherung eine gesetzliche Regelung in § 84 VVG. Neben den zahlreichen Schadenversicherungen wird das Sachverständigenverfahren über § 189 VVG auch für die Unfallversicherung für anwendbar erklärt. Gleiches gilt für die Krankenversicherung. Beim Streit über die Höhe der zu gewährenden Versicherungsleistung ist danach regelmäßig das sogenannte Sachverständigenverfahren durchzuführen.
Nicht selten entsteht Streit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer über die Höhe des eingetretenen Schadens am versicherten Fahrzeug bzw. über den Wiederbeschaffungswert oder die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dies liegt zunächst einmal in der Natur der Sache bei zwei Vertragsparteien. Der eine möchte eine maximale Entschädigung, während der andere die Schadenaufwendungen gering halten möchte. Verstärkt wird diese Situation einmal mehr dadurch, dass sich der Versicherer in seinem Bedingungswerk regelmäßig das Bestimmungsrecht des Sachverständigen vorbehält oder eine Regelung vornimmt, wonach die Kosten eines Sachverständigen nur dann erstattet werden, wenn der Versicherer die Beauftragung selbst veranlasst oder ihr zugestimmt hat. Schon dies sollte zu einer gesunden Skepsis führen, sind es doch regelmäßig immer die gleichen Sachverständigen, die vom Versicherer beauftragt werden. Ist der Versicherungsnehmer nun mit einem solchen gefundenen Ergebnis des Sachverständigen nicht einverstanden, so müsste er grundsätzlich das im Vertrag vorgesehene Sachverständigenverfahren durchführen. Insoweit ist in den Musterbedingungen zur AKB 2008 eine dezidierte Regelung wie folgt vorgesehen:
A.2.17.1:
"Bei Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswerts oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten entscheidet ein Sachverständigenausschuss."
A.2.17.2:
"Für den Ausschuss benennen Sie und wir je einen Kfz-Sachverständigen. Wenn Sie oder wir innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung keinen Sachverständigen benennen, wird dieser von dem jeweils anderen bestimmt."
A.2.17.3:
"Soweit sich der Ausschuss nicht einigt, entscheidet ein weiterer Kfz-Sachverständiger als Obmann, der vor Beginn des Verfahrens von dem Ausschuss gewählt werden soll. Einigt sich der Ausschuss nicht über die Person des Obmanns, wird er über das zuständige Amtsgericht benannt. Die Entscheidung des Obmanns muss zwischen den jeweils von den beiden Sachverständigen geschätzten Beträgen liegen."
A.2.17.4:
"Die Kosten des Sachverständigenverfahrens sind im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen von uns bzw. von Ihnen zu tragen."
Wie schon der zuvor zitierte Text belegt, ist das im Versicherungsvertrag vorgesehene Sachverständigenverfahren ein schwerfälliges und recht teures Verfahren, weil im Unterliegensfalle Kosten für bis zu drei Sachverständige zu tragen sind. Hier ist es sachgerechter, sogleich ein gerichtliches selbstständiges Beweisverfahren einzuleiten. Im vertraglich vorgesehenen Sachverständigenverfahren soll das Amtsgericht den "Obmann" bestimmen, der im Folgenden verbindlich entscheidet, falls sich die von den Vertragsparteien benannten Sachverständigen nicht einigen können. Es ist zielgerichteter, sogleich das Gericht im Rahmen des gerichtlichen selbstständigen Beweisverfahrens anzurufen. So werden letztlich nicht die Kosten für drei Sachverständige aufgewandt, sondern allein für einen Sachverständigen. Im Übrigen kann vorliegend die Rechtsschutzversicherung für den Mandanten nutzbar gemacht oder Prozesskostenhilfe beantragt werden.
1. Kaskoentschädigung
Bei versicherungsvertragsrechtlichen Ansprüchen im Rahmen der Unfallschadenregulierung geht es regelmäßig um die Feststellung des Aufwandes für die Beseitigung eines Sachschadens. Es liegt mithin ein klarer Anwendungsfall des § 485 Abs. 2 3. Alt. ZPO vor. Dementsprechend hat das LG München I schon im Jahre 1993 festgestellt, dass das selbstständige Beweisverfahren ein probates Mittel ist, um die Höhe eines Kaskoschadens beweiskräftig festzustellen. Gleichwohl zeigt die Praxis, dass von dieser Möglichkeit wenig Gebrauch gem...