[…] II. Der gemäß § 79 Abs. 1 S. 2, § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen entsprechend § 80 Abs. 3 OWiG, § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO zulässige Antrag hat mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs Erfolg.
Die die Übermittlung von Rohmessdaten betreffende Beanstandung versagt allerdings, weil sich dem Antragsvorbringen nicht hinreichend deutlich entnehmen lässt, inwiefern der in einem anderen Bußgeldverfahren gestellte Antrag in der vorliegenden Sache konkret von Bedeutung sein soll (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO, § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG). Demgegenüber hat die Rüge Erfolg, die die Ablehnung einer Inaugenscheinnahme des vom Betroffenen in der Hand gehaltenen Geräts betrifft und die den geltenden Begründungsanforderungen genügt.
Die Ablehnung einer Erweiterung der Beweisaufnahme hinsichtlich des vom Betroffenen in der Hand gehaltenen Gerätes erweist sich als verfahrensfehlerhaft und stellt darüber hinaus angesichts der gegebenen Begründung eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Das Amtsgericht hat hierzu allein auf das in Bezug genommene Messfoto und das darauf erkennbare Aussehen und die Handhabung des vom Betroffenen gehaltenen Gerätes verwiesen und die Ablehnung weiterer Sachaufklärung durch Inaugenscheinnahme auf eine "lebensnaher Betrachtungsweise" und darauf gestützt, dass es nicht darauf ankomme, ob der Betroffene ein E-Zigarettengerät besitze, sondern darauf, "ob er dieses oder ein Mobiltelefon zur Tatzeit genutzt" habe. Damit hat das Tatgericht eine Erweiterung der Beweisaufnahme ermessensfehlerhaft und darüber hinaus ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung abgelehnt (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), was eine Verletzung des Verfahrensgrundrecht des Betroffenen auf rechtliches Gehör darstellt (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG; vgl. hierzu BVerfG NJW 1992, 2811 f.; OLG Jena, Beschl. v. 18.3.2004 – 1 Ss [OWi] 33/04; OLG Hamm, Beschl. v. 28.2.2005 – 2 Ss OWi 123/05).
Dass das Messfoto "bei lebensnaher Betrachtungsweise" die Benutzung eines Mobiltelefons zeigt, trifft ersichtlich nicht zu. Aufgrund des prozessordnungsgemäßen Verweises auf das betreffende Foto in den Urteilsgründen (§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) kann der Senat dieser Beurteilung aus eigener Anschauung treffen. Abgesehen davon, dass der auf der Abbildung erkennbare Gegenstand nicht ohne weiteres klar als Mobiltelefon identifiziert werden kann, ist entgegen der Annahme des Tatgerichts eine für das Führen eines Telefonats typische Handhaltung des Betroffenen darauf gerade nicht zu erkennen. Die Begründung, mit der das Amtsgericht angenommen hat, dass eine weitere Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, ist angesichts dieser Sachlage nicht mehr verständlich und nachvollziehbar.
Der Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Davon betroffen ist wegen der tateinheitlichen Begehungsweise auch die an sich nicht rechtsfehlerhafte Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
zfs 11/2022, S. 650 - 651