BUZ § 1 (2) S. 2
Leitsatz
Ein Schreiben, das eine nur möglicherweise zukünftig eintretende Berufsunfähigkeit in Aussicht stellt, stellt keine ausreichende, die Entstehung des Leistungsanspruchs auslösende Mitteilung des Versicherungsfalls dar.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 23.11.2021 – 20 U 187/21
1 Aus den Gründen:
Zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Die Einwendungen des Kl. hiergegen bleiben ohne Erfolg.
1. Die Klage ist bereits aus dem Grunde unbegründet, dass der Kl. erst mit Schreiben vom 14.1.2020 der Bekl. die Berufsunfähigkeit mitgeteilt hat und aus diesem Grunde nach § 1 (2) S. 2 der Bedingungen für die Zusatzversicherung keine Ansprüche für den hier in Rede stehenden Zeitraum von Oktober bis November 2017 bestehen. Der Kl. hat die Ausschlussfrist des § 1 (2) S. 2 schuldhaft versäumt.
a) Zu Recht hat das LG ausgeführt, dass das angebliche Schreiben des Klägers vom 3.3.2017 keine "Mitteilung" der Berufsunfähigkeit darstellt. Entgegen der Ansicht des Kl. hat das LG weder "einseitig den Blick der Beklagten" übernommen noch "überzogene Maßstäbe" angelegt.
Zwar ist es für eine Mitteilung i.S.v. § 1 (2) S. 2 der vereinbarten Bedingungen nicht erforderlich, dass ein bestimmter Anspruch erhoben wird. Ausreichend, aber erforderlich ist eine formgerechte Information des Versicherers, die erkennen lässt, dass ein Versicherungsfall tatsächlich oder nach den Vorstellungen des Mitteilers eingetreten ist (vgl. OLG Saarbrücken r+s 2009, 203).
Sinn und Zweck dieser Frist ist es, dem VR eine zeitnahe Prüfung und zuverlässige Feststellung des angezeigten Eintritts des Versicherungsfalles zu ermöglichen und ihm alsbald Klarheit über seine Leistungspflicht zu verschaffen. Sie soll sicherstellen, dass der VR nicht für – unter Umständen lange Zeit – vor Fristablauf entstandene, ihm aber unbekannte Ansprüche einstehen muss, deren Ausmaß beträchtlich sein kann, bei denen die Aufklärung des Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit aber schon durch Zeitablauf regelmäßig schwieriger wird (vgl. BGH NJW 1995, 598).
Das angebliche Schreiben vom 3.3.2017 genügt diesen Anforderungen nicht.
Der Bekl. wurde aufgrund dieses – angeblichen – Schreibens eben nicht eine zeitnahe Prüfung und Feststellung des Eintritts der Berufsunfähigkeit ermöglicht. Mit diesem Schreiben wurde eine nur möglicherweise zukünftig eintretende Berufsunfähigkeit in Aussicht gestellt, welche der Kläger der Bekl. nach Abschluss der Behandlung mitteilen wollte. Die Bekl. hätte – den Zugang des Schreibens unterstellt – noch keinen Anlass zur Überprüfung und weitergehenden Erhebungen gehabt, sondern im Gegenteil darauf vertrauen können, dass sich der Kl. "nach Abschluss der Behandlungen" erneut melden würde, falls dann eine Berufsunfähigkeit verbleiben würde. Die Bekl. hätte dem Schreiben – Zugang unterstellt – eben nicht die vom Kl. behauptete Annahme, der Versicherungsfall sei eingetreten, entnehmen können …
b) Die Bekl. ist auch nicht wegen eines fehlenden Verschuldens daran gehindert, sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist zu berufen. Der Kl. hat mangelndes Verschulden nicht dargelegt. Auch insofern nimmt der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil. Spätestens nach 6 Monaten ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit, also Anfang 2018, lag für den Kl. nach seinem eigenen Vorbringen die Berufsunfähigkeit auf der Hand bzw. hätte er diese ernsthaft in Betracht ziehen müssen. Wenn er gleichwohl den Eintritt der Berufsunfähigkeit nicht zur Kenntnis genommen hat, handelt er fahrlässig.
Hinzu tritt aber, dass sich auch aus einem anderen Grunde aus dem eigenen Vorbringen des Kl. sein Verschulden ergibt
Der Vortrag des Kl., wonach der andere Berufsunfähigkeitsversicherer am 12.12.2019 die Berufsunfähigkeit festgestellt habe, belegt, dass der Kl. zu einem weitaus früheren Zeitpunkt als von ihm behauptet (November bzw. Dezember 2019), von Berufsunfähigkeit ausgegangen sein muss. Der Bericht des ihn behandelnden Arztes vom 8.11.2019 ist offensichtlich im Auftrag bzw. auf Bitten des anderen Berufsunfähigkeitsversicherers erstellt worden. Der Kl. hat also offensichtlich weitaus früher bei diesem Versicherer einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit gestellt und ist spätestens zum Zeitpunkt der Antragstellung von Berufsunfähigkeit ausgegangen. In dieser Versicherung hat der Kl. daher nicht die "ärztliche Befundung abgewartet", wie er es mit seiner Berufungsbegründung im Vertragsverhältnis mit der Bekl. für sich beansprucht. Aus welchen Gründen er – im Verhältnis zu seinem anderen VR – viel früher von Berufsunfähigkeit ausgegangen ist, im Verhältnis zu der Bekl. aber nicht, ist nicht ersichtlich.
2. Darauf, ob das Schreiben vom 3.3.2017 tatsächlich abgeschickt wurde und der Bekl. zugegangen ist, kommt es demnach nicht mehr an. Auch wenn man den Zugang unterstellt, verbleibt es dabei, dass hierin keine Mitteilung der Berufsunfähigkeit i.S.v. § 1 (2) S. 2 der vereinbarten Bedingungen zu sehen ist …
zfs 11/2022, ...