AKB 1995 Teil B Nr. 10 Abs. 1b, Nr. 11 Abs. 4 Halbs. 1
Leitsatz
Bei einer selbstfahrenden Erntemaschine (hier: Traubenvollernter) entfällt die Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers gemäß Teil B Nr. 11 Abs. 4 Halbs. 1 AKB 1995 für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung mitgeführten Ernteguts, wenn sich die Arbeitsweise der Maschine insgesamt als Beförderung des Ernteguts darstellt.
BGH, Urt. v. 19.7.2023 – IV ZR 384/22
1 Sachverhalt
Der Kl. macht gegenüber dem beklagten Haftpflichtversicherer Deckungsansprüche aus einer Kfz-Haftpflichtversicherung betreffend einen Traubenvollernter geltend. In den Versicherungsvertrag sind die AKB einbezogen.
In deren Teil B "Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung" heißt es unter anderem:
“10 Welche Risiken sind versichert?
Umfang der Versicherung
(1) Die Versicherung umfasst die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen Sie oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch den Gebrauch des im Vertrag bezeichneten Fahrzeugs …
b) Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
11 Ausgeschlossen von der Versicherung sind:
…
(4) Haftpflichtansprüche wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommen von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen, mit Ausnahme jener, die mit Willen des Halters beförderte Personen üblicherweise mit sich führen oder, sofern die Fahrt überwiegend der Personenbeförderung dient, als Gegenstände des persönlichen Bedarfs mit sich führen.“
Im Oktober 2019 setzte der Kl. den Vollernter in Lohnarbeit bei Erntearbeiten ein. Dabei kam es zu einer Verunreinigung der gelesenen Trauben durch im Maschinenbereich des Vollernters ausgetretenes Hydrauliköl, in deren Folge die gesamte Ernte des Weinbergs unbrauchbar wurde. Die Inhaberin des geschädigten Weinguts nahm den Kl. auf Ersatz des Schadens in Anspruch. Gegenüber dem Deckungsanspruch
2 Aus den Gründen:
[9] Die vom BG getroffenen Feststellungen tragen dessen Annahme nicht, die Bekl. könne sich nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss in Teil B Nr. 11 Abs. 4 Halbs. 1 AKB berufen. Die nicht behebbare Verunreinigung mitgeführter Trauben durch im Maschinenbereich eines Vollernters ausgetretenes Hydrauliköl ist eine bedingungsgemäße Zerstörung von mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen. Das ergibt die Auslegung der Klausel.
[10] 1. AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind … Zu berücksichtigen ist ferner, dass es sich bei Teil B Nr. 11 Abs. 4 Halbs. 1 AKB um eine Risikoausschlussklausel handelt (Senat VersR 1994, 1058). Solche Klauseln sind eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senat VersR 2023, 41 Rn 17; VersR 2021, 900 Rn 21).
[11] 2. Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN versteht – wie der Senat bereits entschieden hat – unter dem Befördern einer Sache im Sinne dieser Klausel, dass diese mit Hilfe eines hierfür eingesetzten Transportmittels von einem Ort zum anderen gebracht wird. Der Vorgang der Beförderung besteht in einer Handlung, die objektiv zu einer Ortsveränderung der Sache führt und subjektiv mindestens in dem Bewusstsein vorgenommen wird, dass die Bewegung des Transportmittels zu einer Ortsveränderung der Sache führt (Senat VersR 1994, 1058).
In subjektiver Hinsicht reicht nicht schon das Bewusstsein aus, die gewollte Bewegung des Fahrzeugs werde zwangsläufig zu einer Ortsveränderung der in oder auf diesem befindlichen Sache führen. Unter einer Beförderung ist vielmehr nur ein zweckgerichtetes Handeln zu verstehen, das gerade darauf abzielt, eine Ortsveränderung zu bewirken (…).
[12] 3. Davon geht auch das BG aus. Es wendet diese Grundsätze aber unzutreffend an, indem es allein auf den Transport der geernteten Trauben zum Auffangbehälter innerhalb des Vollernters abstellt.
[13] a) Richtigerweise entfällt bei einer selbstfahrenden Erntemaschine die Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers gemäß Teil B Nr. 11 Abs. 4 Halbs. 1 AKB für Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung mitgeführten Ernteguts, wenn sich die Arbeitsweise der Maschine insgesamt als Beförderung des Ernteguts darstellt.
Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN wird schon dem Wortlaut von Teil B Nr. 11 Abs. 4 Halbs. 1 AKB keine Beschränkung des Risikoausschlusses auf solche Schäden entnehmen, die einen Zusammenhang mit der Beförderung der Sache aufweisen. Nach dem Bedingungswortlaut sind Schäden an...