BGB § 241 § 280 § 630a
Leitsatz
Es besteht eine besondere Obhutspflicht der Klinik für die persönliche Habe der Patienten. Die Klinik hat bei einer Notaufnahme die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um die persönlichen Gegenstände der Patienten zu sichern.
OLG Hamm, Urt. v. 21.7.2023 – I-26 U 4/23
1 Sachverhalt
[1] I. Die am 0.0.1926 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten als Klinikträgerin Schadenersatz für diverse Kleidung und Gegenstände, die ihr nach Einlieferung in die Notaufnahme des Klinikums I. am 18.11.2021 mittels eines Rettungswagens und anschließender Verlegung auf die Station abhandengekommen sein sollen.
[2] Die seinerzeit 95-jährige Klägerin begab sich am 18.11.2021 in Begleitung ihrer Haushaltshilfe, der Zeugin D., wegen Atembeschwerden in die allgemeinärztliche Praxis der Zeugin R. Dort wurden u.a. der Blutdruck der Klägerin gemessen und ein EKG geschrieben. Anschließend wurde sie auf Veranlassung der Ärztin mit einem Rettungswagen in die Notaufnahme des Klinikums I., deren Trägerin die Beklagte ist, verbracht.
[3] Bei ihrer dortigen Aufnahme um 9.52 Uhr war die Klägerin zumindest mit Leibwäsche, einem Wollpullover, einer Stoffhose und Lederschuhen bekleidet. In der Notaufnahme wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführt, unter anderem wurde erneut ein EKG geschrieben und der Klägerin Blut abgenommen. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Pflegeanamnesebogen ausgefüllt, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf die als Anlage zur Klageerwiderung eingereichte Kopie Bezug genommen wird.
[4] Im weiteren Verlauf wurde die Klägerin – jeweils liegend – zu einer Röntgenuntersuchung des Thorax, anschließend wieder zurück in die Notaufnahme und von dort aus nach Abschluss der Untersuchungen auf die Station 2C verbracht, wo sie um ca. 12.15 Uhr eintraf. Der Transport wurde von einer Subunternehmerin der Beklagten, bei der der Zeuge C. beschäftigt war, durchgeführt.
[5] Mehrere mit einem Namensaufkleber der Klägerin versehene Tüten für Patienteneigentum, die zu einem nicht näher aufklärbaren Zeitpunkt der Untersuchungen existierten und deren Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, gelangten nicht mit der Klägerin auf die Station.
[6] Die Klägerin, die aus im Einzelnen streitigen Gründen mit einem Krankenhausnachthemd bekleidet war, erkundigte sich im Verlauf des Nachmittags mehrfach beim Pflegepersonal auf der Station nach dem Verbleib ihrer persönlichen Gegenstände. Diese waren allerdings auch in der Folge im Klinikum nicht mehr auffindbar. Wie in der zweiten Instanz unstreitig geworden ist, war die Klägerin unter ihrem Krankenhausnachthemd noch mit Leibwäsche bekleidet.
[7] Am Abend des 18.11.2021 telefonierte die Klägerin aus dem Krankenhaus heraus mit ihrer Tochter, der Zeugin Z. X., und ihrem Schwiegersohn, dem Zeugen G. X. und teilte diesen mit, dass ihr diverse persönliche Sachen abhandengekommen seien. Ferner schilderte sie dies der Zeugin Z. X. auch in einem persönlichen Gespräch anlässlich eines Besuchs am selben Abend.
[8] Am 19.11.2021 schloss die Klägerin einen schriftlichen Behandlungsvertrag mit der Beklagten, welcher unter anderem einen Hinweis auf deren Hausordnung und AVB enthielt. Diese enthalten in § 17 eine Regelung über eingebrachte Sachen und in § 18 unter der Überschrift "Haftungsbeschränkung" folgenden Passus:
[9] "(1) Für den Verlust oder die Beschädigung von eingebrachten Sachen, die in der Obhut des Patienten bleiben, oder von Fahrzeugen des Patienten, die auf dem Krankenhausgrundstück oder auf einem vom Krankenhaus bereitgestellten Parkplatz abgestellt sind, haftet der Krankenhausträger nicht; das gleiche gilt bei Verlust von Geld und Wertsachen, die nicht der Verwaltung zur Verwahrung übergeben wurden."
[10] Die Klägerin unterzeichnete zudem eine auf den 18.11.2021 datierte Wahlleistungsvereinbarung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts dieser Dokumente wird auf die Anlagen zur Klageerwiderung Bezug genommen.
[11] In der Folgezeit führten die Zeugen Z. und G. X. u.a. verschiedene (telefonische) Gespräche mit Mitarbeiterinnen der Beklagten, namentlich der Zeugin S. und der Zeugin V., von denen sie teilweise unterschiedliche Auskünfte erhielten. Mit Schreiben vom 22.12.2021, unterzeichnet von der Zeugin V., teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Haftpflichtversicherer nach der Verlustanzeige zum jetzigen Zeitpunkt keine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Klinikums sehe. Weiter heißt es in dem Schreiben:
[12] "Bei Ihrer Einlieferung über den Rettungsdienst wurden die von Ihnen eingebrachten Gegenstände verpackt und mit den Patientenaufklebern versehen. Auf dem Transport innerhalb unseres Hauses sind diese Gegenstände abhandengekommen. Es ist hier nicht völlig auszuschließen, dass von dritter Seite ein Diebstahl begangen wurde."
[13] Auf das anwaltliche Schreiben der Klägerin vom 4.1.2022 – wegen dessen Inhalts auf die Anlage zur Klageschrift Bezug genommen wird – antwortete die Beklagte mit Schreiben der Frau V. vom 18.1.2022, man sehe weiterhin keinen Anspruch dem ...