Schließlich stellt sich die Frage, wie das doppelte Mitverschulden beim letztlich auszuweisenden Schmerzensgeld Berücksichtigung findet.
Hier sind folgende Lösungsansätze denkbar:
- Denkbar wäre zunächst, dass man auf Seiten des Geschädigten die Mitverursachungsquote wegen Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 % und die Mitverschuldensquote wegen Verstoßes gegen die Gurtpflicht addiert. Dies hätte zur Folge, dass den Geschädigten im vorgegebenen Fallbeispiel ein Mitverschulden von 100 % treffen würde, mit der Folge, dass er weder für sein Schmerzensgeld noch für seinen sonstigen Personenschaden einen EUR erhalten würde. Dieses Ergebnis erscheint unbillig, da auch der Schädiger zum Personenschaden und zum Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten einen erheblichen Beitrag (Vorfahrtsverletzung) geleistet hat und daher ein Zurücktreten der Schuld des Schädigers unangemessen erscheint.
- Denkbar wäre auch, dass aus den jeweiligen Einzelquoten von 50 % im Rahmen einer weiteren "Gesamtbetrachtung" eine einheitliche Quote im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB gefunden wird. Zumindest ist es im Rahmen des § 17 StVG bzw. § 254 Abs. 1 BGB üblich, die einzelnen unfallkausalen Verstöße eines Unfallbeteiligten zu einer Gesamtquote zusammenzufassen, zumindest soweit der Haftungsgrund betroffen ist.
- Da im Rahmen der Schmerzensgeldfindung das Mitverschulden des Geschädigten sowohl bei der Entstehung des Schadensereignisses aufgrund dessen Geschwindigkeitsüberschreitung als auch beim Entstehen des Schadens aus diesem Schadensereignis aufgrund dessen Verstoßes gegen die Gurtpflicht bereits jeweils als ein Bemessungselement neben anderen berücksichtigt wurde, hat bei einem doppelten Mitverschulden bei der Findung des letztlich zuzusprechenden Schmerzensgeldes nicht nochmals eine Gesamtbetrachtung dahingehend stattzufinden, dass aus den beiden Einzelquoten eine Gesamtquote gebildet wird. Hier stellt sich die in der Praxis wohl kaum lösbare Frage, nach welchen Kriterien diese Gesamtquote nachvollziehbar zu ermitteln wäre, wenn im Vorfeld die beiden Mitverschuldensquoten des Geschädigten jeweils mit der Vorfahrtsverletzung des Schädigers bereits abgewogen wurden.
- Als dritter Lösungsweg bietet sich an, das im ersten Schritt bei der Entstehung des Schadensereignisses quotal ermittelte Schmerzensgeld im zweiten Schritt prozentual um die Mitverschuldensquote beim Entstehen des Schadens aus diesem Schadensereignis zu kürzen.
Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Differenzierung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität. Eine Schadenersatzforderung gliedert sich bekanntlich in Grund und Höhe. Ein eventuelles Mitverschulden kann sich, wie bereits ausgeführt, einerseits nur auf den Haftungsgrund und/oder andererseits auch nur im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität auf einzelne Schadensposten beziehen. Aus diesem Grund kann auch bei einem doppelten Mitverschulden zunächst ein Grundurteil ergehen und die Einwendungen zur Forderungshöhe dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben. Im Fallbeispiel bezieht sich die Geschwindigkeitsüberschreitung auf den Haftungsgrund und der Verstoß gegen § 21a StVO auf die Höhe des Schmerzensgeldes, weshalb aus zwei verschiedenen Rechtsgründen ein doppeltes Mitverschulden vorliegt.
Die Mitverschuldensquote zum Haftungsgrund betrifft sämtliche Schadensposten, also auch das Schmerzensgeld, das im Fallbeispiel unter Beachtung der Mitverursachungsquote von 50 % wegen Geschwindigkeitsüberschreitung auf 150.000,00 EUR festgesetzt wurde. Hinzu kommt die Mitverschuldensquote wegen eines Verstoßes gegen § 21a StVO im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität, die lediglich einzelne, bereits aufgrund der Mitverursachung zum Haftungsgrund quotal gekürzte Schadensposten (Personenschaden und Schmerzensgeld) betrifft. Der Geschädigte muss sich daher auf seine bereits wegen der Mitverursachung beim Haftungsgrund gekürzte Schmerzensgeldforderung von 150.000,00 EUR das weitere Mitverschulden im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität von 50 % anrechnen lassen, weshalb nach dem diesseitigen Lösungsvorschlag das Schmerzensgeld auf 75.000,00 EUR festzusetzen ist.