Zu Recht hat das LG die Klage abgewiesen. Der Kl. steht kein Anspruch auf Invaliditätsleistungen aus dem Unfallversicherungsvertrag mit der Bekl. zu. Zutreffend hat das LG angenommen, dass die Kl. die Frist zur Invaliditätsfeststellung nach Ziffer 2.1.1.1. AUB 2000 versäumt hat. Danach muss die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt werden. Der Unfall ereignete sich am 24.5.2019, und bis zum Ablauf der Frist am 24.8.2020 hat die Kl. unstreitig keine ärztliche Feststellung der Invalidität vorgelegt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes im Urt. v. 8.2.2024 wird Bezug genommen.
Bei der fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.2019 – IV ZR 73/18). Das dient dem berechtigten Interesse des VR an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den VN an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2007 – IV ZR 137/06)
Entgegen der Auffassung der Kl. kann sich die Bekl. auf die Frist in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen, denn sie hat auf die vertraglichen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen gemäß § 186 VVG hingewiesen. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, hat die Bekl. die Kl. in ihren Schreiben vom 27.5.2019 klar und unmissverständlich belehrt.
Dort heißt es:
Zitat
Ein Anspruch auf Invaliditätsleistung besteht, wenn … und die Invalidität
- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und
- innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt worden ist. Versäumen Sie die Frist für die ärztliche Feststellung, besteht kein Anspruch auf Invaliditätsleistung.
Im Schreiben vom 11.6.2019 heißt es:
Zitat
Verbunden damit möchten wir Sie auf wichtige Fristen hinweisen. So muss eine etwaige Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein; vor Ablauf von weiteren 3 Monaten muss diese ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein.
Bitte beachten Sie unbedingt die genannten Fristen, die bis zum 24.6.2020 laufen; werden sie nicht eingehalten, besteht kein Leistungsanspruch.
Weiter wurde die Kl. mit Schreiben vom 25.5.2020 wie folgt belehrt:
Zitat
Bitte beachten Sie: Ihr Leistungsanspruch mit den ärztlichen Unterlagen muss spätestens bis zum 24.8.2020 bei uns eingegangen sein. Ansonsten erlöschen mögliche Invaliditätsansprüche unabhängig vom medizinischen Verlauf durch Fristablauf. Eine Fristverlängerung ist aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht möglich.
Mit letztgenanntem Schreiben wurde der Kl. ein Formular (Ärztliche Bescheinigung zur Begründung eines Invaliditätsanspruches) übersandt, das von dem Arzt auszufüllen war. Entgegen der Auffassung der Kl. konnte sie diesen und den vorangegangenen Schreiben mit ausreichender Klarheit entnehmen, welche Unterlagen vorgelegt werden mussten. Ihr wurde schließlich ein vom Arzt auszufüllendes Formular übersandt.
Die Berufung der Bekl. auf den Fristablauf ist auch nicht treuwidrig. Das Berufen des VR auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung kann sich im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich erweisen. Das ist etwa dann anzunehmen, wenn dem VR ein Belehrungsbedarf des VN hinsichtlich der Rechtsfolgen der Fristversäumnis deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2005 – IV ZR 154/04). Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahe legen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Soweit die Kl. meint, ihre Frage im Schreiben vom 3.6.2020 sei nicht beantwortet worden und ihr sei nichts erläutert worden, trifft dies nicht zu. Sie hat der Bekl. mitgeteilt, dass sie am 8.6.2020 einen OP-Termin habe und gefragt, ob diese Information ausreichend sei. Weil die Bekl. nichts erläutert habe, habe sie den Entlassungsbericht vom 9.6.2020 übersandt. Die Bekl. hat jedoch mit Schreiben vom 8.6.2020 reagiert und mitgeteilt, dass der mögliche Invaliditätsanspruch unabhängig von Behandlungsverlauf und Zeitpunkt der Operation zu verfolgen sei. Sie hat ausdrücklich auf ihre Erläuterungen im vorangegangenen Schreiben verwiesen. Unter diesen Umständen konnte die Kl. nicht davon ausgehen, dass die Übersendung des Entlassungsberichtes, der keine Angaben zu einer bestehenden Invalidität enthält, genügt. Die Bekl. war insbesondere nicht verpflichtet, ein weiteres Mal auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Feststellung der Invalidität binnen der Frist hinzuweisen. Den Schreiben der Bekl. sind im Übrigen weder widersprüchliche Begrifflichkeiten noch ein Durcheinander von Belehrungen zu entnehmen …
zfs 11/2024, S. 633 - 634