Es war im Herbst 2023, als eine Mandantin mit zwei Unterarmgehhilfen mein Büro betritt und erzählt, sie sei vor 1,5 Jahren bei einem Autounfall schwer verletzt worden, sie könne nicht mehr gehen, ihr Mann kümmere sich um sie und beide hätten wegen des Unfalls ihren Beruf verloren. Der bisherige Anwalt habe zivilrechtlich bis auf einen marginalen Vorschuss des Versicherers nichts erreicht. Aufgrund der Arbeitslosigkeit des Mannes habe man schon dreimal umziehen müssen, weil man die Miete nicht mehr habe bezahlen können.
In dieser Situation überlegt man sich, ob man ein derartiges Mandat überhaupt übernehmen möchte. Ich wollte die Mandantin "nicht im Regen stehen lassen". Neben der Klärung der Haftung dem Grunde nach war aber die Familie komplett am Boden zerstört und auf massive Hilfe angewiesen. Eine Aufgabe, die ich als Anwalt aber nicht leisten kann.
Ich habe daher den Haftpflichtversicherer der Gegenseite angeschrieben, der trotz der Einwände zur Haftung bereit war, einen Rehadienst zu beauftragen, um die prekäre Situation der Mandantin und ihrer Familie zu lindern.
Es konnte dadurch innerhalb kürzester Zeit erreicht werden, dass die Familie eine neue Wohnung bezieht, der Versicherer nochmals eine weitere Zahlung geleistet hat, damit die Kaution bedient werden konnte, so dass die Familie endlich ein Zuhause hatte. Die Mitarbeiterin des Rehadienstes unterstützt die Mandantin bei Behördengängen, bei der Stellung von Anträgen zum Bezug von Erwerbsminderungsrente sowie im gesundheitlichen Bereich bei der Vereinbarung von Reha-Terminen. Tätigkeiten also, die der Anwalt so schlicht nicht leisten kann, aber eine enorme Hilfe für den Geschädigten bietet.
Als Anwälte können wir Schadenspositionen geltend machen, deren Grundlagen herauszuarbeiten ist oftmals nicht möglich. Dies betrifft beispielsweise die Fragen eines behindertengerechten Umbaus eines Hauses und dessen Kosten, Umschulungsmaßnahmen, Zugang zu Hilfsmitteln, Organisation von Nachsorge usw. Dies alles sind Dinge, die für einen Geschädigten existenziell sind. Bekommt er einen Rehadienst an die Seite gestellt, so ist dies nicht nur für den Geschädigten eine große Erleichterung, sondern auch für den Rechtsanwalt, der sich sehr viel Zeit bei der Organisation dieser Dinge erspart.
Für mich ist es daher nicht nachvollziehbar, warum immer noch sehr viele Rechtsanwälte davor zurückschrecken, einen Rehadienst einzuschalten. Die ARGE Verkehrsrecht hat zwischenzeitlich zwölf Rehadienste anerkannt, die sich dem code of conduct der ARGE unterworfen haben. Dieser sorgt dafür, dass die Rehadienste v.a. neutral und unabhängig von einem Versicherer agieren, dies für den Geschädigten auch bei einer Haftungsquote kostenlos. Weitere Informationen findet man unter https://www.verkehrsanwaelte.de/fuer-anwaelte/reha-dienste/.
Natürlich hat auch ein Versicherer ein Interesse daran, die Schadensaufwendungen gering zu halten. Dies steht aber nicht im Gegensatz zu den Interessen des Geschädigten, denn auch für diesen ist es von erheblicher Bedeutung, dass er weitgehend zu einem normalen Leben zurückkehren kann. Dies sind letztlich gleichgerichtete Interessen.
Nicht nur der Geschädigte, der eine umfassende Unterstützung erhält hat dadurch Vorteile, sondern auch wir als Rechtsanwälte profitieren davon, da uns viel Arbeit abgenommen und die Regulierung beschleunigt wird.
Ich kann daher die Einschaltung eines anerkannten Rehadienstes bei schweren Personenschäden uneingeschränkt empfehlen.
Autor: Dr. Matthias Köck
RA Dr. Matthias Köck, FA für Arbeitsrecht und für Verkehrsrecht, Nürnberg
zfs 11/2024, S. 601