[6]“ II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
[7] 1. Die Revision wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das BG den verspäteten Austausch des 6,0-Tubus durch einen 8,0-Tubus und die Verzögerung der Bronchoskopie nicht als grobe, sondern als einfache Behandlungsfehler eingestuft und deshalb eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Ursächlichkeit dieses Fehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden der Versicherten verneint hat.
[8] a) Zwar richtet sich die Bewertung eines ärztlichen Fehlverhaltens als grob nach den gesamten Umständen des Einzelfalls, deren Würdigung weitgehend im tatrichterlichen Bereich liegt. Revisionsrechtlich ist jedoch sowohl nachzuprüfen, ob das BG den Begriff des groben Behandlungsfehlers verkannt, als auch, ob es bei der Gewichtung dieses Fehlers erheblichen Prozessstoff außer Betracht gelassen oder verfahrensfehlerhaft gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurt. v. 28.5.2002 – VI ZR 42/01, VersR 2002, 1026, 1027; v. 27.3.2007 – VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn 24; v. 16.6.2009 – VI ZR 157/08, VersR 2009, 1267 Rn 8).
[9] b) Ein solcher Rechtsfehler ist hier gegeben.
[10] aa) Das BG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Behandlungsfehler nur dann als grob zu bewerten ist, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (Senatsurt. v. 27.4.2004 – VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48, 53; v. 27.3.2007 – VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn 25; v. 16.6.2009 – VI ZR 157/08, VersR 2009, 1267 Rn 15; Beschl. v. 22.9.2009 – VI ZR 32/09, VersR 2010, 72 Rn 6).
[11] bb) Soweit das BG jedoch weiter meint, ein Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse komme nur dann in Betracht, wenn es für den konkreten Einzelfall klare und feststehende Vorgaben bzw. Handlungsanweisungen gebe, steht dies mit der Rspr. des erkennenden Senats nicht im Einklang. Gesicherte medizinische Erkenntnisse, deren Missachtung einen Behandlungsfehler als grob erscheinen lassen kann, sind nicht nur die Erkenntnisse, die Eingang in Leitlinien, Richtlinien oder anderweitige ausdrückliche Handlungsanweisungen gefunden haben. Hierzu zählen vielmehr auch die elementaren medizinischen Grundregeln, die im jeweiligen Fachgebiet vorausgesetzt werden (vgl. Senatsurt. v. 3.12.1985 – VI ZR 106/84, VersR 1986, 366, 367; v. 8.2.2000 – VI ZR 325/98, VersR 2000, 1107, 1108; Senatsbeschlüsse v. 9.6.2009 – VI ZR 261/08, VersR 2009, 1406 Rn 11 und – VI ZR 138/08, VersR 2009, 1405 Rn 3, 6, 8; Gerda Müller, VersR 2009, 1145, 1148; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., B Rn 252; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Auf., Rn 640, jeweils m.w.N..; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Aufl., XI Rn 60). Wie die Revision unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. R mit Recht geltend macht, gehört hierzu auch der Grundsatz, dass ein Anästhesist bei jeder seiner Handlungen sicherzustellen hat, dass das Sauerstoffangebot den Sauerstoffbedarf des Patienten deckt, da die oberste Richtschnur bei Durchführung einer Anästhesie stets die optimale Sauerstoffversorgung des Patienten ist.
[12] c) Es ist nicht auszuschließen, dass das BG zu einer anderen Beurteilung des Falles gelangt wäre, wenn es diese Grundsätze berücksichtigt hätte. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. R hat in seinem Gutachten ausgeführt, nach der Koniotomie sei es zu einer weiteren sehr lang anhaltenden Phase von mindestens 40 Minuten der schwersten Hypoxie gekommen. In der für die Patientin lebensbedrohlichen Situation sei es darum gegangen, die Blutkoageln, die die Atemwege verlegt hätten, “schnellst möglich‘ zu entfernen. Vor diesem Hintergrund hat es der Sachverständige mehrfach als “unverständlich‘ bzw. “völlig unverständlich‘ bezeichnet, dass der Wechsel auf einen größeren Tubus erst 25 Minuten und die Bronchoskopie erst 45 Minuten nach der Koniotomie erfolgt seien. Er hat die Fehler in der Gesamtbetrachtung letztlich nur deshalb als “nicht vollkommen unverständlich‘ bewertet, weil er weder Leitlinien noch wissenschaftliche Veröffentlichungen kenne, die Handlungsrichtlinien für einen solchen Sachverhalt enthielten, und man den erstmals mit einer solchen Situation konfrontierten Ärzten deshalb subjektiv nicht den Vorwurf machen könne, dass ihre Handlungsweise vollkommen unverständlich sei. Auf die subjektive Vorwerfbarkeit kommt es aber nicht an. Die Annahme einer Beweislastumkehr nach einem groben Behandlungsfehler ist keine Sanktion für ein besonders schweres Arztverschulden, sondern knüpft daran an, dass die Aufklärung des Behandlungsgeschehens wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderer Weise erschwert worden ist, sodass der Arzt nach Treu und Glauben dem Patienten den Kausalitätsbewe...