Am 1.1.2012 ist das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 6.12.2011 in Kraft getreten (BGBl I S. 2554). Gleichzeitig ist damit das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege (RPflEntlG) vom 11.1.1993 (BGBl I S. 50) außer Kraft getreten, das die zunächst befristete Möglichkeit der Besetzungsreduktion bei den großen Straf- und Jugendkammern eingeführt hatte, um damit einer "Notsituation der Justiz in den neuen Ländern" Rechnung zu tragen. Durch das nun geschaffene Gesetz werden die mehrfach verlängerten Regelungen des RPflEntlG durch eine dauerhafte Regelung ersetzt. Die Möglichkeit, mit zwei statt mit drei Berufsrichtern zu verhandeln, wird grundsätzlich beibehalten. Wie bisher ist die große Strafkammer in der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen zu besetzen, wenn sie als Schwurgericht zuständig ist oder wenn nach dem Umfang oder Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Berufsrichters notwendig erscheint (§ 76 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und 2 GVG n.F.). Neu ist, dass die große Strafkammer zukünftig zwingend mit drei Berufsrichtern besetzt sein muss, wenn die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist (§ 76 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 GVG n.F.). Die entsprechenden Regelungen bei der Besetzung der großen Jugendkammer (§ 33b JGG) sollen jugendstrafrechtlichen Besonderheiten Rechnung tragen. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass der Zuständigkeitskatalog des Schwurgerichts ergänzt wurde (§ 74 Abs. 2 S. 1 Nr. 9a, 27–30 GVG n.F.).
Durch das Gesetz werden ferner die Regelungen des erst am 3.12.2011 in Kraft getretenen Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 (BGBl I S. 2302) modifiziert (vgl. zum Inhalt dieses Gesetzes den Beitrag in zfs Aktuell des November-Heftes, zfs 2011, 602). Nach § 199 Abs. 4 GVG n.F. ist der Privatkläger im Strafverfahren aus dem Kreis der entschädigungsberechtigten Verfahrensbeteiligten ausgeschlossen. Für die Praxis besonders wichtig ist, dass sich die Zuständigkeit für Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer geändert hat: Für eine Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist nunmehr – anders als ursprünglich vorgesehen – nicht das OLG, in dessen Bezirk die Regierung des beklagten Landes ihren Sitz hat, sondern das OLG zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde (§ 201 Abs. 1 S. 1 GVG n.F.).
Quelle: BT-Drs. 17/6905, BR-Drs. 716/11
RiLG Karsten Funke, Schweinfurt, derzeit abgeordnet an das Bundesministerium der Justiz in Berlin