"Ausgehend von der sich danach ergebenden Sachlage, nach der die Sicht für die Bekl. zu 1) durch einen Lkw versperrt war, zuvor schon zwei weitere Fahrzeuge aus der Richtung des Fahrers des Pkw der Kl. fuhren und sowohl der Lkw als auch die Pkw bereits bei für sie grünem Lichtzeichen losgefahren und damit als bevorrechtigter Verkehr erkennbar waren, hat das LG zu Recht mit ausführlicher Begründung die volle Haftung der Bekl. angenommen. In dieser Situation, in der der Bekl. zu 1) das Kreuzungsräumen zuvor schon verwehrt war und der Querverkehr bereits die Kreuzung befahren hatte, konnte sie sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie als Kreuzungsräumerin erkennbar war, zumal sie damit rechnen musste, durch den Lkw für bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer verdeckt zu sein, sodass diese eine besondere Verkehrslage schon nicht hätten erkennen können. Sie durfte daher nicht mehr bzw. jedenfalls nicht mehr vor eindeutiger Klärung mit dem bevorrechtigten Verkehr anfahren, sondern hatte nun den Vorrang zu gewähren. Wegen der Sichteinschränkung hätte sie sich weiterhin nur vortasten dürfen und im Zweifel stehen bleiben müssen, zumal sie sich im Bereich eines Mittelstreifens (mit Straßenbahngleisen) befand. Das Anfahren ohne freie Sicht und ohne – wie die Bekl. zu 1) anlässlich ihrer persönlichen Anhörung bekundet hat – auf (wie bewiesen ist: weitere) von rechts kommende bevorrechtigte Fahrzeuge zu achten, wurde der Situation ersichtlich nicht mehr gerecht und stellte ein grob fahrlässiges Verhalten dar. Im Übrigen gilt hier – anders als das LG unter Bezug auf § 11 Abs. 1 StVO (möglicherweise missverständlich) ausgeführt hat – allenfalls bei für den Zeugen V noch erkennbarer besonderer Verkehrslage ein Nachzüglervorrang des Kreuzungsräumers nach § 11 Abs. 3 StVO (vgl. zu dem der jetzt geltenden Fassung des Abs. 3 entsprechenden § 11 Abs. 2 StVO a.F.: BGH mit Urt. v. 9.11.1976 – VI ZR 264/75 – NJW 1977, 1394 [II.1.] = BGHZ 56, 149, 150 und OLG Hamm mit Urt. v. 9.1.1990 – 27 U 177/89 – NZV 1991, 31), sodass sich die Bekl. zu 1) als Kreuzungsräumer zumindest zuvor über den Vorfahrtsverzicht mit dem Zeugen V hätte verständigen müssen (vgl. Zieres, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 27 Rn 735). Die von dem BGH (a.a.O.) für den Vorrang der Nachzügler ebenfalls genannte Vorschrift des § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 4 StVO in der damals geltenden Fassung (Gelb ordnet an: … für Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung: "Kreuzung räumen") ist dagegen 1980 geändert worden, weil für Verkehrsteilnehmer in der Kreuzung Gelb keine Bedeutung hat (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 37 StVO Rn 26), weshalb aufgrund des geänderten Wortlautes des § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 5 StVO in der (seit 1980) geltenden Fassung der Nachzüglervorrang des Kreuzungsräumers aus dieser Vorschrift nicht (mehr) ableitbar ist."
Mitgeteilt von den Mitgliedern des 22. Zivilsenats des Kammergerichts