VVG § 178 Abs. 2; GUB 99 Nr. 1.3.
Leitsatz
1. Der Verzehr nusshaltiger Schokolade, in dessen Folge ein an einer schweren Nussallergie leidendes Kind verstirbt, stellt einen versicherten Unfall dar.
2. Zur möglichen Mitwirkung einer außergewöhnlichen Nahrungsmittelallergie an den Unfallfolgen i.S.v. Nr. 3 GUB 99 (Nr. 3 AUB 2008).
BGH, Urt. v. 23.10.2013 – IV ZR 98/12
Sachverhalt
Die Kl. fordert aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Zahlung der Versicherungssumme von 27.000 EUR aus einer bei der Bekl. gehaltenen Unfallversicherung, welcher als AVB die GUB 99 zugrunde liegen.
Die Kl. und ihr Ehemann sind die Eltern und gesetzlichen Erben der mitversicherten, am 24.12.2009 im Alter von 15 Jahren verstorbenen K J. Das Kind litt an einer angeborenen schweren Entwicklungsstörung (Trisomie 18, Edwards Syndrom), ferner an Asthma und diversen Allergien, wobei die Allergie gegen Nüsse am stärksten ausgeprägt war.
Am 24.12.2009 erlitt K infolge einer heftigen allergischen Reaktion auf ein Nahrungsmittel zunächst eine starke Verschwellung der Atemwege und sodann einen tödlichen Kreislaufzusammenbruch. Sie hatte mehrere zur Dekoration des Weihnachtstisches verwendete Stücke möglicherweise nusshaltiger Schokolade gegessen.
Die Bekl. hält sich für leistungsfrei, weil K keinen bedingungsgemäßen Unfall erlitten habe. Jedenfalls sei die Versicherungsleistung nach Nr. 3 GUB 99 zu kürzen, weil die vorgenannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen maßgeblich zum Eintritt des Todes beigetragen hätten. Das BG hat der Klage stattgegeben.
2 Aus den Gründen:
[6] "… Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das BG; dieses muss darüber befinden, ob und zu welchem Anteil die Nahrungsmittelallergie des mitversicherten Kindes an dessen Tod mitgewirkt hat. …"
[11] 1. Zutreffend hat es das zum Tode des mitversicherten Kindes führende Geschehen als bedingungsgemäßen Unfall eingestuft.
[12] Gleichlautend definieren sowohl § 178 Abs. 2 S. 1 VVG als auch Nr. 1.3 GUB 99, dass ein Unfall vorliegt, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet.
[13] Diese Voraussetzungen sieht das BG hier zu Recht als erfüllt an.
[14] a) Gegen seine Annahme, ursächlich für die allergische Reaktion des Kindes sei der Verzehr nusshaltiger Schokoladetäfelchen gewesen, erhebt die Revision keine Einwände. Davon ausgehend liegt ein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis darin, dass diese Schokolade im Mund in Kontakt mit der Mundschleimhaut kam.
[15] aa) Die Revisionsrüge, nicht bereits dieser Kontakt, sondern erst die dadurch ausgelöste allergische Reaktion, die aus einer von der gerichtlich bestellten Sachverständigen im Einzelnen beschriebenen Kette körperinterner Vorgänge im Immunsystem bestehe, sei das maßgebliche unmittelbare Unfallereignis, geht fehl. Ein Unmittelbarkeitserfordernis, demzufolge bei einem zum Tode oder sonstigen Schäden führenden Geschehen lediglich auf die zuletzt innerhalb des Körpers des Unfallopfers unmittelbar wirkende Ursache abzustellen wäre, enthält die oben genannte Definition des Unfallbegriffs nicht (vgl. schon BGH NJW 1962, 914 zu § 2 AUB). Deshalb ist auf das Ereignis abzustellen, welches von außen auf den Körper einwirkt und damit eine Kausalkette körperinterner Vorgänge in Lauf setzt, die zur Schädigung der versicherten Person führt. Aus dem Senatsurt. v. 6.7.2011 (VersR 2011, 1135 Rn 12–14) ergibt sich nichts anderes. Der Senat hat dort lediglich ausgesprochen, dass es für die Einwirkung “von außen’ auf das Ereignis ankommt, bei dem der Körper des Versicherten mit der Außenwelt in Kontakt kommt und welches nachfolgend die körperliche Schädigung verursacht. Nicht entscheidend sind demgegenüber diejenigen Umstände und Ursachen, die diesem Ereignis vorausgehen. Nur mit Blick darauf hat der Senat davon gesprochen, dass mit der Einwirkung von außen das Ereignis gemeint sei, welches die körperliche Schädigung “unmittelbar’ herbeiführe. Das schließt indes Kausalverläufe wie den vorliegenden nicht aus.
[16] Die Unfallversicherung bezweckt für den VN erkennbar keinen allgemeinen Schutz vor Krankheitsfolgen. Mit der Unfallvoraussetzung eines von außen auf den Körper des Versicherten wirkenden Ereignisses sollen Schädigungen infolge rein körperinnerer Vorgänge, wie Erkrankungen oder Verschleiß, selbst für den Fall vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, dass sie wie etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall plötzlich eintreten (MüKo-VVG/Dörner, § 178 Rn 55). Andererseits kann der durchschnittliche VN, auf dessen Verständnis es insoweit ankommt, der Regelung über die Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen an den Unfallfolgen (hier Nr. 3 GUB 99) entnehmen, dass es für den Unfallbegriff ohne Belang ist, wenn nach einem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis bereits vorhandene Gesundheitsschäden des Versicherten die weitere Schadenentwicklung mitbestimmen. Dass die Zuführung der die aller...